28. August 2014

Berlin, eine Erinnerung ohne Wowereit

Ich gebe zu, Berlin hat mich nie wirklich mitgerissen. Schon zu DDR-Zeiten bin ich lieber nach Prag gefahren, so manches Wochenende mit Rucksack und Schlafsack, weil Geld für Übernachtung wollte ich nicht ausgeben, auch weil nur eine sehr kleine Menge von DDR-Alugeld in Kronen umgetauscht werden durfte. Übernachtet wurde also in der Maisolova auf dem Dachboden eines Hauses, welches nie abgeschlossen war. Ob die Bewohner des Hauses irgendetwas davon mitbekamen weiß ich nicht, wir schlichen uns Nachts heimlich hoch, und Morgens, naja eher Mittags, wieder genauso heimlich hinaus. Das geräuschlose hochschleichen war allerdings ein kleines Problem, da es in Prag eine sehr lebendige Kneipenszene gab, entsprechend angeheitert, um nicht zu sagen besoffen, waren wir auch. Aber es ist immer gut gegangen, wir wurden nicht erwischt.

Ostberlin kannte ich natürlich auch, habe einige Wochen am Französischem Dom mitgearbeitet, doch obwohl ich umfangreiche Exkursionen in die nähere Umgebung des Gendarmenmarkt, der hieß damals »Platz der Akademie« unternommen hatte, so war der Blick vom Turm des Französischen Doms doch das Aufregendste in dieser Zeit, Westberlin schien zu greifen nahe und war doch so unendlich fern. Das war im Sommer 82 als Paul Simon und Art Garfunkel ein Konzert auf der Waldbühne in West-Berlin gaben.

25. August 2014

Was bestimmt den Klimawandel-Diskurs?

Eva Horn schreibt in ihrem neuen Buch »Zukunft als Katastrophe«: „Diese Träume und Albträume eines entweder zahm gebändigten oder zerstörerisch entfesselten Klimas schlagen sich dann nicht nur in Romanen und Filmen nieder, sondern auch in sozialen und politischen Utopien, in Forschungsprojekten oder Architekturentwürfen.“

Werner Krauss dagegen, der von der Klimazwiebel, twitterte: Frei übersetzt ins Deutsche: „Der Klimadiskurs steckt in einer Monokultur des Denkens fest. Intellektuelles Ödland. Statistik im Übermaß. Nichts Neues unter der Sonne, wo sind die Ideen?“

Er meint also, der Klimadiskurs wird von Zahlen beherrscht. Statistiken bestimmen das Denken und intellektuell sei da nichts zu holen. In anderen Worten, Buchhaltermentalitäten bestimmen den Disput. Zahlen hier, Zahlen dort, eine Beschreibung dessen was geschieht findet nicht statt.

Ganz anders sieht dies Sergi Pàmies in seiner »poetische Wahrheit«: „Der Klimawandel ist ein literarisches Genre. Seine Dekadenz wird auf internationalen Foren diskutiert, und die Nachrichten, die von ihm handeln, vermitteln den Eindruck, dass er in der Katastrophe enden wird. Genauso wie die Novelle. Genauso wie die Literatur insgesamt. Genauso wie fast alle Sprachen, in denen die Novellen im Besonderen und die Literatur im Allgemeinen verfasst werden.“

24. August 2014

Deutsches Blut

„Wohin möchten Sie, Sir?“ fragte mich der Taxifahrer im Hafen von Cebu/City, einer Millionenstadt ziemlich in der Mitte des aus tausenden Inseln bestehenden philippinischen Archipels. „Carbon Market“ antworte ich, obwohl ich eigentlich weiter wollte. So war denn auch meine Zielangabe dem Taxifahrer zu ungenau. „Wohin am Carbon Market?“, die Frage war berechtigt, so klein ist der nämlich nicht. „Dort wo ich ein Tricycle nehmen kann, ich muss nach Ermita.“ Stille folgte, der Taxifahrer sah mich von der Seite an. „Ich fahre nicht nach Ermita.“ Das wusste ich, der Stadtteil Ermita in Cebu/City ist eine No-go-Area für Fremde, für Ausländer sowieso. Kein Taxi, kein Jeepney, kein Bus geht da hinein. „Ich habe dort eine Verabredung, muss dahin, sie brauchen mich nur am Carbon Market absetzen“. Wieder wurde ich gemustert, der Fahrer meinte wohl anfangs, ich sei gewöhnlicher Tourist und wollte mich warnen, er konnte nicht wissen, dass Verwandte meiner Frau dort lebten und ich eine Cousine von ihr abholen musste, die bei uns als Kindermädchen und Haushelfer arbeiten wollte. „Aus welchem Land kommen Sie?“ „Deutschland,“ antwortete ich. Ein kurzes Lächeln im Gesicht des Fahrers. „Deswegen!“ Diese Antwort verstörte mich, mir war nicht klar wieso meine Herkunft hier irgend etwas erklären würde. „Warum deswegen?” wollte ich wissen. „Ich weiß, Deutsche haben starkes Blut. (I know, Germans have strong blood).”

Damit ist die Geschichte auch schon erzählt, mich ließen aber die Äußerungen des Taxifahrers nicht mehr in Ruhe.

21. August 2014

Antihumanistisches Nichtstun

Immer wieder hört man Stimmen, die behaupten, dass der IS (Islamischer Staat) oder sonstige islamische Terrororganisationen, doch eigentlich erst durch den Westen entstanden sei. Vor allem durch die Intervention des Westens im Irak, wie es kürzlich Brendan O‘Neill⁽¹⁾ in einem besonders peinlichen Artikel in Novo-Argumente darstellte. Vielleicht hat der Westen eine Radikalisierung bewirkt, vielleicht auch nicht. Was genau die Ursachen sind, warum wir nun mit einem derartigem Terror zu tun haben, wird noch Gegenstand langer Diskussionen sein und wahrscheinlich nie ganz geklärt werden können, so dass sich in hundert Jahren die Historiker darüber streiten können. Nun haben wir die Situation so wie sie ist, eine barbarische Terrorgruppe schickt sich an der ganzen Welt den Krieg zu erklären, massakriert und terrorisiert, nicht nur vor Ort. Warum und wie dies passieren konnte, sind Fragen die im Moment in den Hintergrund treten müssen, weil die Situation akut ist. Was können wir jetzt tun um dieses Morden zu beenden, diese Frage muss schleunigst geklärt werden, und dann muss genau so schnell gehandelt werden. In klaren Worten heißt dies: IS und Helfershelfer militärisch besiegen, ihre Macht brechen, sie entwaffnen. Eine Befriedung kann nur eintreten nach einer totalen Niederlage und Vernichtung des IS. Alles andere ist Wunschdenken.

Es gibt historische Beispiele die zeigen warum dies so ist.

17. August 2014

Öffentliche Räume sind nicht mehr Orte der Demokratie, mit gleichen Rechten für jedermann!

Ursula Weidenfeld kommentiert im Tagespiegel die geplante Freigabe von Busspuren für Elektromobile mit den Worten: „Dass alle Bürger gleiche Rechte haben, gilt dann offenbar nicht mehr.“ und weiter: „Die Nebenwirkungen einer solchen Subvention wären beträchtlich.Hier würde nicht nur dem E-Auto geholfen. Gleichzeitig würde der Zugang zum öffentlichen Raum neu geregelt. Wer sich eines der Elektromobile leisten kann, bekäme einen Teil der öffentlichen Infrastruktur kostenfrei und exklusiv zugewiesen. Was man beim Wohnen bitter beklagt, würde beim Parken regierungsamtlich verordnet – die Gentrifizierung.“

Getrifizierung ist natürlich ein wichtiger Punkt, aber Wohnung und öffentlicher Raum sind noch mal zwei verschiedene Dinge. Hier geht es um die Beschneidung von Rechten, öffentlicher Raum wird bestimmten Personengruppen überlassen, und dies hat nicht mehr nur mit Fragen der Gerechtigkeit zu tun, sondern mit Demokratieverständnis. Öffentliche Räume sind Orte der Demokratie, mit gleichen Rechten für jedermann. Das war einmal. Gleiches geschieht mit der Verschandelung der Umwelt mit Windmühlen, auch hier wurde noch von der letzten Regierung ein Konzept vorgeschlagen, in dem eine ausgewählte Personengruppe besondere Rechte im öffentlichen Raum zugesprochen werden sollte.

12. August 2014

König Ubu, Pataphysik und die Klimawissenschaft

Kürzlich empfahl der Perlentaucher eine neu erschienene Biographie über Alfred Jarry⁽¹⁾. Schon diese Meldung zauberte unmittelbar ein Lächeln in mein Gesicht, so manche Anekdote über diesen Schriftsteller fiel mir ein,⁽²⁾ alle das Bild Jarrys als Bürgerschreck unterstreichend. König Ubu,⁽³⁾ wohl sein bekanntestes und zu seinen Lebzeiten nur ein mal aufgeführtes Werk, war einige Jahre mein treuer Begleiter in Form eines Reclambuches. Wurde ich hin und wieder gefragt, welches Buch dies denn sei, welches ich ständig mit mir herumtrage, dann nutze ich die Gelegenheit und las einige Sätze daraus vor. Danach war für die Zuhörer klar: Der Quentin hat einen an der Waffel, wer so ein Zeug ließt kann nicht normal sein. Diese Reaktion war natürlich genau einkalkuliert, denn damit verschaffte ich mir eine gewisse Narrenfreiheit als Kompensation für die existierende Unfreiheit auf dem, in meinen Augen, nicht minder verrückten Narrenschiff DDR. Ich hatte Spaß an der Konfrontation, so wie das eben Teenager aller Zeiten haben. Doch dabei blieb es nicht, sondern auch die Erkenntnis , dass auf dem ersten Blick völlig verrückt erscheinende Geschichten einen speziellen Wahrheitsbezug haben und wirklichkeitserklärend werden. Die existierende sozialistische Gesellschaft erschien mir völlig verrückt und war dennoch real. Mit logischen Herleitungen, dass wurde mir schon recht früh klar, wird man die Welt nicht erklären können. Was ist real, was ist imaginär, was ist richtig, was ist falsch - überall sind die Grenzen fließend.

Nun gibt es aber ein Wissenschaftskonzept welches sich ’Pataphysik⁽⁴⁾ nennt und ebenfalls auf Alfred Jarry zurück geht, in welchem die Unterschiede zwischen real und imaginär, zwischen richtig und falsch, verschwinden.

1. August 2014

Verbalberserker: Ralph Sina

Das Wort »Rage« wurde, lt. wiktionary.org, aus dem Französischen übernommen und hat dort unter anderem die Bedeutungen Berserkerwut, Tollwut oder Raserei. Im Deutschen wird es gerne in der Redewendung »in Rage reden« gebraucht, oder jemanden »in Rage versetzen«. Wer sich in Rage redet, begeht sozusagen einen verbalen Amoklauf, alles was irgend im Weg steht wir ohne Prüfung vernichtet, herab gewürdigt mit Argumenten, die ihrerseits nicht geprüft oder bewertet wurden, sondern gerade eben zur Hand waren. Der in Rage geratene schlägt zu, so scheint es, mit dem was er auf die Schnelle zu greifen bekommt. Berserkerwut kann sich also auch verbal zeigen.

Verbalberserker wirken auf Zuhörer zweierlei, mitreißend auf diejenigen die die Wut teilen, und abstoßend auf die anderen, manchmal auch einschüchternd, weil man glaubt gegen die gewaltigen Wortwaffen keine adäquate Antwort zu haben, oder weil man einen Kampf scheut der nur, auch in verbaler Form, Niederlage oder Sieg kennt. Und genau diese beiden Reaktionen sind auch gewünscht und werden vom Verbalberserker genau einkalkuliert. Die Mitstreiter anfeuern und die Gegner einschüchtern. Wie auf dem Sportplatz, oder mit einer Militärparade, oder rituellen Drohgebärden im Tierreich. Der Gegner soll den Schwanz einkneifen und sich trollen,