22. April 2015

Die Pheromonspur der Hoffnung

In einigen Orten auf den Philippinen, vor allem in der Provinz, fällt auf, dass es offensichtlich mehr Frauen gibt als Männer. Gerade verheiratete Frauen mit Kindern sind oft allein, leben aber in besseren Verhältnissen als andere, die ihre Ehemänner an ihrer Seite haben. Was erst wie ein Widerspruch aussieht, löst sich schnell auf, wenn man weiß, dass mehr als zehn Millionen Philippinos im Ausland leben. Wenngleich in der Mehrzahl, sind es nicht nur Männer, es sind auch viele Frauen und Mädchen die versuchen abroad zu arbeiten, vom Haushelfer und Kindermädchen bis hin zu recht häufig zu sehenden Krankenschwestern. Agenturen vermitteln Jobs und kümmern sich um Ticket und Visa, bekommen dann vom Gehalt meist für die Dauer von zwei Jahren einen Anteil, oder auch einen fest gelegen Betrag. Ohne das Geld, aus dem Ausland, welches diese Overseas Filipinos dann an ihre Familien überweisen, wäre der Staat längst bankrott, so lästern manche, und noch obendrauf, andere verkaufen ihre Bodenschätze, die Philippinen ihre Menschen.

Doch über gesamtwirtschaftliche Aspekte will ich gar nicht sprechen, sondern über den Druck der für die Menschen vor Ort entsteht, wenn es auf einmal, durch die Überweisungen aus dem Ausland, manchen gelingt einen bescheidenen Wohlstand zur erlangen. Einer der deutlich über dem ortsüblichen Standard ist. So mancher treusorgender Familienvater fragt sich dann sehr schnell, ob es nicht besser für seine Familie ist, wenn er sich nicht auch im Ausland verdingt, dann die Kinder auf eine Privatschule schicken kann, welche sich dann stolz mit ihren Schuluniformen von den ärmeren Kindern abzugrenzen versuchen, vielleicht noch ein Haus und Auto dazu ermöglicht.

Daran muss ich nun immer denken, wenn über die Schicksale der Flüchtlinge im Mittelmeer berichtet wird. Freilich sind es einige, die tatsächlich vor Bürgerkrieg und Verfolgung fliehen, die kommen aber selten allein, sondern versuchen zuerst die Familie in Sicherheit zu bekommen, bevor sie an sich selbst denken. Auch die vielen jungen Männer die wir nun tagtäglich in den Nachrichten sehen, denken nicht nur an sich selbst und wollen eine bessere Zukunft für sich, was eigentlich ja ein legitimes Anliegen ist, sondern sie sehen sich in der Pflicht, ebenfalls für Ihre Familien zu sorgen. Falls sie nicht verheiratet sind, dann eben wollen sie Eltern oder Geschwister unterstützen.

Mit jedem Euro oder Dollar der dann in die Heimat überwiesen wird, mit Hilfe von Western Union ist fast jeder irgendwo in Welt erreichbar, entsteht aber Druck auf die anderen jungen Männer, ebenfalls zu versuchen, ins Ausland zu gelangen. Dieser Effekt darf nicht vernachlässigt werden, will man der Flüchtlingsströme die derzeit nach Europa drängen, einigermaßen Herr werden. Sie alle aufzunehmen, wird sich rächen, es ist die Rache der guten Tat, die wesentliche Verhaltensmuster, die uns alle innewohnen, ausblendet.

Nun ist aber guter Rat teuer, wie sollen wir unserem moralischem Gebot nachkommen, Menschen auf hoher See nicht einfach ersaufen zu lassen, anderseits sich vor dieser unkontrollierten und unsteuerbaren Einwanderung zu schützen, welche unser soziales Miteinander auf eine nicht zu bewältigende Belastungsprobe stellt. Jeder aufgenommene Flüchtling wird, wenn er das erste Geld in die Heimat geschickt hat, weitere generieren.

Australien baut, so hört man derzeit, auf Abschreckung und scheint damit Erfolg zu haben, und so mancher meint, wir sollten diesem Beispiel folgen. Aber wie das so ist, mit den einfachen Antworten, meist passen sie nicht. Die geographische und politische Situation ist nicht vergleichbar. Dennoch sollten wir radikale Lösungen ins Auge fassen, und alles versuchen, dass die Flüchtlinge Europa gar nicht erst erreichen. Das wird ohne Militär nicht gehen, ohne massive Militärpräsenz im Mittelmeer, die Jagd auf die Schlepperboote macht und die Flüchtlinge zurück dahin bringt, dort wo sie sich den Seelenverkäufern anvertraut haben.

Wünschenswert wäre, könnte man dort jeweils militärisch gesicherte Lager einrichten, in denen dann diejenigen unter den Flüchtlingen die wirklich verfolgt sind, aussortiert werden, und zwar so schnell und effektiv wie möglich. Hört sich Scheiße an, ich weiß, und nein, mir sind diese Leute nicht egal. Wer bessere Vorschläge hat, soll sie bringen. Wird aber diese Pheromonspur des Geldes, welche durch die Überweisungen in die Heimatländer entsteht, nicht durch eine andere ersetzt, wird es keine Lösung des Problems geben.

Menschen brauchen Hoffnungen, ja sie haben sie automatisch, sie entstehen zusammen mit den Wünschen. Auf ein besseres Leben beispielsweise. Ein erster Schritt wäre, in den Ländern in denen es möglich ist, nach dem philippinischen Beispiel, Agenturen zu erlauben, dort Arbeitskräfte anzuwerben und zu vermitteln. Diese sind dann international aufgestellt, sollten nach noch fest zu legenden Richtlinien zertifiziert und kontrolliert werden, damit die Bewerber nicht besseren Sklavenhändlern in die Hände fallen. Damit würden Hoffnungen in eine Richtung kanalisiert, welche auch vor Ort, in den Herkunftsländern, positive Effekte haben. So werden auf den Philippinen wesentlich mehr Krankenschwestern oder Matrosen ausgebildet, als das Land braucht, es ist ein Exportschlager geworden.

Schön wäre es, würden sich die Situationen in den Herkunftsländern so ändern, dass Menschen nicht mehr von dort weg müssen wenn sie ihre Hoffnungen und Wünsche wahr werden lassen möchten. Doch das ist eine Illusion ohne Aussicht auf Verwirklichung. Genauso illusionär ist es aber anzunehmen, mit den derzeitigen Methoden würden wir der Flüchtlingsströme Herr. Das Elend im Mittelmeer sollte uns nicht davon abhalten nach pragmatischen, und auch radikalen, Lösungen des Problems zu suchen.

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