15. Januar 2017

Schnipsel von Oktober'16 bis Januar'17


Der Verbildete ist ein Feigling, er traut seinen eigenen Gedanken nicht.


Burke, männlich, und ein Geburtsdatum. Mehr steht nicht in dem Dokument, was wohl so was wie eine Geburtsurkunde ist, und mehr weiß der Held der Krimi-Reihe von Andrew Vachss von seiner Herkunft nicht. Er hat keine Ahnung wer seine Eltern sind, offensichtlich ausgesetzt von einer Prostituierten, ohne jede Informationen unter welchen Umständen er das Licht der Welt erblickt hat, oder vom Vater. Von Geburt an ein Ausgestoßener, je älter er wird, je mehr nimmt er es an, stößt sich selbst von der Gesellschaft aus. Nur seiner Familie traut er, alles durchgeknallte scheinbar gestrandete und doch stolze Typen, die von Konventionen nichts halten, sondern ihr Ding durchziehen. Seine Familie ist eine selbst gewählte, seine biologische kennt er ja nicht.
Diese Wahlfamilie der besonderen Art: eine Transe, ein taubstummer mongolischer Krieger, ein vorpubertärer Stricher, sowie ein verkapptes Genie, der ihm seine Lebensphilosophie lehrte: Überleben.


Sloterdijk meint, dass der Mensch durch seine Neotenie, also quasi Frühgeburtlichkeit, Instinkte durch Autoritäten ersetzt hat. Die Autoritäten wiederum sind kulturell bedingt. Das ist aus einer Rede und gibt gerade mal 35 gedruckte Seiten und ist dementsprechend verdichtet. Ich hoffe er schreibt noch mal ein ganzes Buch darüber. Vor allem, weil ich mit ein paar Aspekten nicht einverstanden bin, und darauf hoffe, dass S. sich in einem Buch besser erklärt. Gerade dieser Verlust von Instinkt und dafür Hinwendung zur Autorität ist mir suspekt. Denn bei mir war das immer anders, ich habe Autoritäten, auch der Kultur, misstraut und meinen Instinkten geglaubt. Der Brutkasten der Kultur ist möglicherweise falsch und in Wirklichkeit mehr einer der Familie. Aber das muss ich erst mal nur so dahin gestellt lassen, weil ich selbst keine Antwort auf meine Fragen habe. Vielleicht bin ich ja auch nur ein kultureller Mutant.


1983 im Notaufnahmelager Gießen war eine Befragung der geflüchteten Ossis durch den Verfassungsschutz obligatorisch. Habe gerne geholfen. Hauptsächlich ging es wohl darum Infos zu sammeln und um Spione und UBoote zu entdecken. Wäre heute auch nötig.


Und der nächste Literaturnobelpreis geht an Trio: „Da Da Da. ...“


Was ist faktisch an der Behauptung, dass wir in einem Zeitalter des Postfaktischen leben. Klingt wie der antike Spruch über die Kreter.


Ich kaufe keinen Bob Dylan, Joan Baez oder wie die Bänklesänger alle heißen. Vielleicht ists ja gute Literatur, die Musik jedenfalls mag ich nicht.


Klimakonferenz für Kindergartenkinder! Gibts wirklich, kein Witz. Eltern wehrt euch! Erziehung ist eure Aufgabe, nicht die des Staates. Sexualfrüherziehung im Kindergarten, Klimabrimborium und und und. Die Kinder werden mit Ängsten geimpft die ihnen das Kindsein rauben.


Politik, Politik, Politik, es nervt nur noch. Verschließen gegenüber dem was geschieht kann ich mich nicht, es erscheint mir zu wichtig, aber die Beschäftigung mit der Politik wird mir immer unangenehmer. Ich sollte nicht mehr bloggen oder twittern, oder wenigstens mal eine mehrmonatige Auszeit nehmen. Die Gedanken werden vergiftet durchs Widerwärtige - das will ich nicht mehr.


Irgendwann korrumpiert alles, nichts bleibt rein. Die Ideale der Jugend haben ihre Jungfräulichkeit verloren und schlafen sich nach oben. Mit jedem gehen sie ins Bett, lassen sich bezahlen, bezahlen selbst wenn das Vorteile verspricht.


Eine Prügelei habe ich früher riskiert, wenn ich angegriffen wurde. Heute kneife ich den Arsch ein, weil keiner mehr prügelt sondern gleich messert.


Der Konvertit verachtet die Verbesser. Er war ja mal ein anderer, dort wo er war gibt es nichts zu verbessern, es ist von Grund auf falsch.


Die politische Kaste der Universalisten ist auf dem absteigenden Ast, die universellen Werte (egal wie man zu ihnen steht) werden regional umgedeutet und relativiert, etwas was den Eliten ein Dorn im Auge ist. Der Liberalismus hat damit auch ein Problem.
Die sogenannten Volksparteien haben diesen Spagat zwischen universell und regional eigentlich immer hinbekommen, zwischen Werten und Identität. Doch seit einiger Zeit nicht mehr, die Weltrettung, das universelle wurde dominierend. Die prägende Nähe, sowas wie Heimat, Volk, Identität, musste als Bedrohung angesehen werden. Jedenfalls wenn man die Narrative nicht in den großen universellen Kontext stellen kann.
Ich glaube dass der gegenwärtige Wandel in der politischen Öffentlichkeit viel grundsätzlicher ist, als meist angenommen. Meine Vermutung stütze ich auf die Tatsache, dass dieser Wandel eben in vielen verschiedenen Ländern gleichzeitig erfolgt. Wäre es nur Europa, dann würde sich eine Fülle von Erklärungen anbieten, nur es betrifft die gesamte westliche oder östliche Welt, also muss es etwas sein, was in allen diesen verschiedenen Ländern gleichermaßen wirksam ist.


Haltet durch ihr Liberalen! Nein, das meine ich nicht in Bezug auf eine Partei, schon gar nicht der FDP. Bei der denke ich weniger an liberal als mehr an Beliebigkeit in der Praxis. Mehr an Steigbügelhalter als an Reiter. Nein, ich meine die Theoretiker unter euch, die die liberale Ideen und Ideologien entwickeln, dabei die Gegenwart ausblenden und mehr an zeitlose ideelle liberale Werte denken. An die Freiheit, die Selbstbestimmung, die Pluralität und was sonst noch alles Gutes gibt, was man mit dem Liberalismus in Verbindung bringen könnte.


Ein schöner Sonntag: Küche blockiert, da Kinder Plätzchen backen. Mittagessen im Asia-Imbiss geholt.


Der Höcke hatte mal eine Obergrenze von minus 200000 gefordert. Wird mir immer sympathischer dieser Mann.


Weihnachten ist eine schlechte Zeit für die Heimatfremdler.


Die besonders Empathiefähigen missverstehen ihre Gabe oft so, als wäre sie bereits eine Leistung.


Nicht das was ich geschrieben habe offenbart, wer oder was ich bin, sondern das was ich noch nicht geschrieben habe, das was noch rumort.


Werde ich es schaffen, in meinen Nachkommen nicht weiter leben zu wollen, ihnen kein Vermächtnis mitzugeben?


Meine Kinder schlafen, ich habe ihnen die Stirn geküsst. Musste jetzt sein.


Selbstverteidigung wird wichtiger, doch was ist das »Selbst«?


Oh wie habe ich das Pfaffengeschwätz satt. Kann am Heilig Abend nicht mal in die Kirche gehen, will mir Weihnachten nicht verderben.


23:30 Uhr. Gerade noch rechtzeitig gelesen, heute ist Welt-Orgasmus-Tag. Wird knapp, also fürs Vorspiel keine Zeit.


Imaginärer Sehnsuchtsort der Deutschen: Mischung aus Tannhäuser, Walter von der Vogelweide und Ludwig Erhard.


Ich als Gruppe gibt es nicht.


Bei der ersten Wahl des Reichstages nach dem ersten Weltkrieg lagen die beiden hauptsächlichen liberalen Pareien, die nationalliberalen und die linksliberalen, bei zusammen rund zwanzig Prozent. Danach ging es bergab, bei der letzten freien Wahl, vor der Ernennung Hitlers als Reichskanzler, waren sie fast verschwunden. Es ist das Problem des Liberalismus, nicht zu erkennen wenn die Zeit zum kämpfen gekommen ist. Vor allem aber, scheuen sie sich vor der Art des Kampfes der zur Selbstverteidigung notwendig ist. Er wäre Selbstverleugnung. Das ist das wahre Dilemma der Liberalen.


So langsam komme ich mir wie ein Schmarotzer vor, indem ich nur beobachte und kommentiere, aber nicht kämpfe. Kämpfe für die Freiheit.


Nach dem Chaos, nach dem Untergang, werden die Liberalen gebraucht, als Orientierung für die Neuordnung. Ist die Ordnung geschaffen, verlieren sie sich in der Bedeutungslosigkeit oder korrumpieren sich.


Ich habe noch Hoffnung, geht gar nicht anders, ich habe Kinder, hoffe auf sie.



Dossier: Aphorismen



Einige dieser „Gedankenschnipsel“ – und weitere – hier in:
Chorhähnchen esse ich jederzeit“.

Paperback
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ISBN-13: 9783744895590
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