13. Mai 2019

Schnipsel 2019, Fünfte Sammlung

Schwer fällt es mir, die derzeitigen Umfragewerte für die Grünen zu verstehen? So gut wie alles was die fordern, läuft auf ein Desaster hinaus. Energie, EU, Verkehr, Bildung, Einwanderung … sind die Umfragen frisiert? – wahrscheinlich schon, zumindest zum Teil. Doch das erklärt es nicht. Was also verspricht sich der Grünen-Wähler von seiner Entscheidung? Was begehrt er? Es kann nur mit einer Art Sinnsuche zu tun haben, mit der Hoffnung, eine Erklärung für das eigene Dasein zu bekommen.

So gut wie alle alten sinngebenden Erzählungen verblassen und scheinen nicht mehr gültig. Die eigene Zuordnung zu einem Volk, zu einem Glauben, zu einer Religion, zu einer Identität, wie sie von den Vorfahren weiter gegeben wurde – alles dies verschwindet im Halbschatten, dort sind sie noch erkennbar, doch wirken sie wie Relikte aus einer vergangenen und unaufgeklärten Zeit und in diesem Sinn-Vakuum haben Scharlatane wie die Grünen ein leichtes Spiel.



Die „Grünen“ haben ihre wahren Absichten eigentlich noch nie verheimlicht. Manchmal etwas rhetorisch verschleiert, aber nie ein Geheimnis daraus gemacht, wohin sie wollen. Es sind die Medien und die politischen Gegner, die versagt haben darin, die Grünen zu stellen.



Als ich 83 nach Stuttgart kam, schenkte mir ein Freund: „Deutschland deine Schwaben“, damit ich einen Einblick in die Mentalität meiner Nachbarn und Kollegen bekomme. Es hat mir geholfen, damals. Heute nicht mehr, meine Nachbarn und Kollegen sind andere geworden. Ich auch.



Ich muss an das Kathedralengefühl denken, was einem überkommt, wenn man in einem solch großartigen Bauwerk weilt. Man glaubt Göttlichkeit und Ewigkeit zu spüren. Der Brand von Notre Dame macht klar, was wir spüren, ist eine Illusion. Es ist deprimierend.



Abtreibung/Sterbehilfe: Diejenigen die leben wollen, die Babys im Bauch, die dürfen ohne Angabe von Gründen getötet werden. Während denjenigen, die nicht mehr leben wollen, weil es ihnen nur noch eine Quälerei ist, nicht geholfen werden darf. Moral ist kompliziert.



Es ist vor allem die deutsche „Biedermeier-Seele“, das sich gemütlich einrichten in einer geistigen Behausung, was die Grünen attraktiv macht. Früher wurde dies in der „Heimat“ oder der „Religion“ gefunden. Grün zu sein, ist heute hauptsächlich zur Identitätsfrage geworden und erst viel später eine politische Aussage.



Hat Gott die Menschen erschaffen oder ist es umgekehrt? Darüber streiten sich Gläubige und Atheisten. Dieser Streit geht am Wesentlichen vorbei, nämlich, dass Gott eben in der Welt ist, egal ob durch Menschen erschaffen oder umgekehrt.



Canetti meint in Masse und Macht, „Die Masse besteht, solange sie ein unerreichtes Ziel hat“. Abgeleitet: Es genügt die Katastrophe in die ferne Zukunft zu schieben, um die Masse weiter steuern zu können. In der Gegenwart muss also gar nichts geschehen, um Angst zu schüren. Religionen haben dieses Prinzip zur Perfektion gebracht. Erst nach dem Tod, beim jüngsten Gericht, wird abgerechnet. Es trifft aber genauso auf politische Massen zu, ohne die Beschreibung eines fernen Ziels, zerfallen sie.

Das heißt aber, dass ich mich von der Masse, jeder Masse, fern halten muss, mich ausgrenzen, damit diese keine Macht über mich bekommt und mich mit sich zieht.



Ich fragte den Wurm – er lächelte mir von einem Ast herunter – wie er denn so hochgekommen wäre? Es sei lediglich gekrochen, gab er als Antwort. Ja, die Kriecher kommen hoch. (aus irgendeiner Fabel)



Natürlich mache ich den DDRlern nicht pauschal den Vorwurf, ein bankrottes Drecksloch als Land hinterlassen zu haben, aber dennoch war es so. Nun kommen so SEDler daher, deren Geist das Desaster versucht hat, und tun so, als ob ihnen beim Dreck aufräumen Unrecht geschehen wäre.



Das Land ist heute wie eine Ampel. Leuchten die Roten, steht alles, leuchten die Gelben, warten alle ab, in welcher Richtung es weiter geht, nur die Grünen wissen, in diesem Land haben sie immer Vorfahrt.



Das Land DDR war völlig im Eimer und die Mehrzahl der Mitläufer war daran nicht unschuldig. Gerade der Mitläufer versucht aber die Schuld immer gerne anderen zuzuschreiben. Sie tun dann immer so, als ob sie Opfer gewesen wären. Übrigens sehe ich hier starke Parallelen zu den Mitläufern heute, die den grünen Zeitgeist nicht infrage stellen. Wenn der Karren dann im Dreck steckt, was sicher kommt, dann sind sie es auch nicht gewesen.



Ich möchte in einem Land leben, wo jeder die Bücher, die der nicht mag, Flaggen ebenso, verbrennen kann. Von Witzen über Religionen oder Ideologien ganz zu schweigen. Ich muss dieses Tun nicht gutheißen, ich kann es verachten, aber das gehört für mich zur Freiheit.



Es ist nur noch die Imagenation, an der die Menschen hängen. Die Realität sieht schon lange anders aus.



Im TV läuft gerade Winnetou II, keine Ahnung, wer von den Kindern das gewählt hat. Ich höre nur die Dialoge – die sind zum Fremdschämen. Ich verstehe nicht, wie derartiger Schwachsinn die Gemüter so bewegt, wie es offensichtlich oft der Fall ist.



Die erkennbaren politischen Emotionen der Deutschen – ihr Beharren in der einmal eingegangenen Bindung – erinnern an einen betrogenen Ehepartner, dem so langsam bewusst wird, dass er über Jahre, wahrscheinlich schon immer, hintergangen wurde, sich aber trotzdem nicht zu einer Trennung durchringen kann.



Ein Freund (Betreiber eines Indonesischen Restaurants) meinte einmal: „Man sieht sofort, wenn Vegetarier als Gäste kommen, die sehen immer so unglücklich und verbissen aus.“ (Das war in den späten 1980ern).



Ich will gar nicht darüber nachdenken, warum sich welche Leute wie ernähren. Das ist ihr Ding. Wenn aber das Vegetariersein, gar der Veganismus, als Lösung für die Probleme der Menschheit propagiert wird, dann hört meine Toleranz mit denen auf.



Seitenfenster auf der Fahrerseite öffnen, den Ellenbogen dort auflegen und mit der linken Hand das Lenkrad fest halten – so vermeidet man beim besoffen Autofahren Schlangenlinien. Hm, OK, ich wollt nur sagen: ich war auch mal jung.



Bättere ich in alten Texten von mir, muss ich manchmal lächeln, beispielsweise über Fehler, doch in Hauptsache wird mir mein Weg klar, den ich seither ging. Dann frage ich mich: Warum habe ich mich so verändert? Wenn diese alten Texte, auch die neuen, nur den einen einzigen Sinn haben sollten, mir meinen Weg zu verdeutlichen, dann haben sie ihren Zweck erfüllt.



Die Küche ist völlig vernebelt und die ganze Hütte stinkt nach Verbranntem. Die beiden Ältesten (18/19) versuchen gerade ein Frühstück zuzubereiten. Ich glaube, die bringen es noch fertig, Wasser anbrennen zu lassen. Ich bin ruhig, lasse sie ihre Erfahrungen machen.



Deutschland wehrt sich gegen den Vorwurf, der Hegemon Europas zu sein, lediglich dadurch, dass es die Wünsche derer bezahlt, die diesen Vorwurf erheben könnten.



Es war der Hunger nach freiem Leben, möglichst ganz ohne irgendwelche Ideologien, was mich zum Feind der DDR machte. Nur das wollte ich, das Leben erleben, es spüren und darin aufgehen. Vor den Theorien, auch denen der Dissidenten, grauste es mir.



Die Jahre der Teilung der Stadt haben ein Selbstbild einer übersteigerten eigenen Wichtigkeit bei den Berlinern hinterlassen. In Ost wie in West.



Als Vater finde ich den Muttertag richtig gut. Keiner will was von mir, die Kinder und die Mutter beschäftigen sich miteinander und ich bin völlig überflüssig. Solche Momente genieße ich, sie sind viel zu selten.



Es gibt einen natürlichen Abwehrmechanismus gegen Massen in mir, welcher mich gottlob davon abhält irgendwo Mitglied zu sein. Seien es Vereine, Parteien, Kirchen, ja Gruppierungen jeder Art. Andere suchen die Geborgenheit der Masse, ich empfinde jede Masse als Bedrohung.



Dossier: Aphorismen


5 Kommentare :

  1. Zum Thema Ambivalentes: 'Das heißt aber, dass ich mich von der Masse, jeder Masse, fern halten muss, mich ausgrenzen, damit diese keine Macht über mich bekommt und mich mit sich zieht.' Irgendwie erinnert das an Hermann Hesse, der den Individualismus heroisierte. Wie wohl ich dem Anliegen, der Vermassung zu widerstehen, von Herzen beipflichte, so besteht in einfachen Regeln qua Assoziation der logische Fehlschluss. Etwas, das viele für richtig halten, ist darum weder per se gut (Vermassung), noch schlecht (notorischer Individualismus). Ob etwas richtig oder falsch ist, liegt zuerst an der sachlichen Grundlage, nicht auf seiner gegebenen oder fehlenden Massewirkung.

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  2. Mal einfach nur Applaus: 'Ich möchte in einem Land leben, wo jeder die Bücher, die der nicht mag, Flaggen ebenso, verbrennen kann.'

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  3. @Martin Landvoigt

    „Ob etwas richtig oder falsch ist, liegt zuerst an der sachlichen Grundlage, nicht auf seiner gegebenen oder fehlenden Massewirkung.“

    Mir geht es in dem Schnipsel nicht um richtig oder falsch, sondern nur darum, wie ich Massen empfinde, wie sie auf mich wirken. Und mit Hesse (den ich nicht ausstehen kann) hat das schon gar nichts zu tun. (http://glitzerwasser.blogspot.com/search?q=Hesse). Aber es stimmt schon, Individualist bin ich schon, kann mit Zuordnungen nicht viel anfangen. Was andere als ihren geschützten Raum empfinden, den sie sich durch ihre Selbstzuordnungen schaffen, das spüre ich als Gefängnis, aus dem ich ausbrechen möchte.

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  4. Ich habe da schon verstanden. Das Gefühl, dass Massen eben verdächtig, gar bedrohlich sind, kenne ich auch. Auch vermeintlich Gleichgesinnte und Freunde erregen meinen Argwohn. Rein emotional also volle Zustimmung. Mein Punkt war, dass aber auch die Gegenreaktion mich zum Falschen verführen kann. Mir geht es eben sehr wohl um richtig und falsch, gerade aus rationaler Betrachtung.

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  5. Hallo Steffen,

    Man möchte bei den Guten sein und das Richtige tun.
    Gute Absichten reichen eben aus.
    Das ist ein starker Antrieb.

    Grüße
    Günter

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