"Vorbild ist der Ministerin zufolge das Institute for Advanced Study im amerikanischen Princeton, wo auch Albert Einstein forschte. Ähnlich wie an dem US-Elite-Institut könnten die "klügsten Köpfe" in Potsdam ein frei gewähltes Thema bearbeiten und bis zu zwei Jahre lang am Institut in der Potsdamer Kleist-Villa forschen und wohnen."Klaus Töpfer ist zur Zeit der Exekutivdirektor und neben anderen wichtigen Posten gibt es auch noch einen Strategiebeirat, dessen Vorsitzender Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber ist. Dies nur kurz zur Erläuterung, um die politische Ausrichtung dieses Vereins zu verstehen. Im März diesen Jahres wurde unter dem Dach des IASS eine Plattform Energiewende (TPEC) vorgestellt, die sich als unabhängiger wissenschaftlicher und transdisziplinärer Begleitprozess der Energiewende versteht.⁽²⁾
Am 28. Juni fand nun eine Expertenanhörung statt mit dem Thema: "Energiewende: Wo stehen wir? Was ist zu tun?" Siebzehn Experten konnten jeweils fünf Minuten zu einem Fachgebiet sprechen, und etwa die doppelte Zeit stand noch mal für Rückfragen der Jury zur Verfügung. Die Videoaufzeichnung dieser Veranstaltung ist in zwei Teilen auf der Seite des IASS zu sehen.⁽³⁾. Die Vorträge waren von unterschiedlicher Qualität, am untersten Ende würde ich den Vertreter von Germanwatch, Christoph Bals, nennen, dessen Ausführungen recht substanzlos daherkamen, was aber das Dilemma der NGOs verdeutlicht, den Spagat zwischen Energiewende und Ausbau der NIE (Neue Ineffiziente Energien) auf der einen Seite, und Naturschutz auf der anderen, hinzubekommen. Recht interessant fand ich die Ausführungen von Hans-Joachim Ziesing, der sich der Frage stellte, wie denn unsere Infrastruktur im Jahre 2050 aussehen würde, wenn man die Klimaschutzziele der Bundesregierung ernst nimmt.⁽⁴⁾ Wenn nämlich 180 Milliarden Kilowattstunden eingespart werden sollen, dann sind zumindest Teile des geplanten Netzausbaus, welcher heute notwendig erscheint, für die Zeit nach 2050 nicht notwendig. Zu diesem Thema wird sicher noch einiges gesagt werden müssen, doch hier will ich es dabei belassen. Ebenfalls aufschlussreich waren die Ausführungen von Ines Zenke, Fachanwältin für Verwaltungsrecht und Partnerin einer auf Energiefragen spezialisierten Sozietät, die unter anderem ausführte, dass es vor der Liberalisierung (1998) etwa 20 Paragraphen zum Energiewirtschaftsgesetz gab, heute sind es über zehntausend Normen und Regeln, die auch noch miteinander in Bezug gebracht werden müssen.⁽⁵⁾
Hauptsächlich möchte ich auf den Beitrag von Sibylle Günter, Wissenschaftliche Leiterin im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, hinweisen, deren Thema die Kernfusion war.⁽⁶⁾ Sie weist darauf hin, dass für eine CO₂-neutrale Energieversorgung die Kernfusion in Zukunft ebenfalls ihren Beitrag leisten könne. Womit die Brücke zum Thema der Anhörung geschlagen ist, denn gegenwärtig wird nur geforscht, von einer Anwendung in der Praxis ist nicht vor 2050 zu rechnen. Einem Hinweis von ihr, dass auch die Endlichkeit der fossilen Energieträger diese Forschungen notwendig machen, wurde entgegnet, dass diese Endlichkeit bei weitem nicht so gesichert scheint wie noch vor einiger Zeit angenommen. Es scheint sich also die Erkenntnis durchzusetzen, dass Peak Oil und Peak Sonstwas, nur statistische Artefakte sind, wie auch schon bei der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität deutlich angemerkt wurde. Dies aber nur nebenbei, dieser Aspekt spielte bei den weiteren Ausführungen keine Rolle.
Frau Günter trat energisch Vorstellungen entgegen, wonach bei der Kernfusionsforschung bislang wenig Fortschritte erzielt worden wären, und sprach von einem Erfolgsparameter der um den Faktor einhunderttausend erhöht werden konnte, und nun nur noch einen zusätzlichen Faktor 10 benötige. Das Problem zum Erreichen dieses Zieles ist die Wärmeisolierung, da dies nur mit größeren, und damit teureren, Anlagen möglich ist. Die langen Zeitskalen, die bis zur Verwirklichung der Projekte notwendig sind, resultieren daraus, dass es sich auch um Grundlagenforschung handelt und der nächste Schritt immer auf den Ergebnissen des vorhergehenden aufbaut. So soll ITER⁽⁷⁾ erst einmal zeigen dass es funktioniert und mehr Energie rauskommt als man reinsteckt. Dann überarbeitet man die Ergebnisse und feilt am Design um dann 2035 ein Demonstrationskraftwerk zu bauen (bis 2045).
Erstaunt zeigte sich die Runde als die Rede aufs chinesischen Fusionsforschungsprogramm kam. China plant bis 2100 rund 100 Gigawatt aus Fusionskraftwerken erzeugen. Ambitionierte Ziele, vor allem wenn man sich den Fahrplan anschaut. Bereits ab 2016 soll ein Fusionskraftwerk gebaut werden, welches die Prinzipien demonstrieren soll. Dies soll 2025 fertig sein, 2 Jahre früher als ITER. Dazu sollen 2000 Fusionsforscher ausgebildet werden, es herrsche ein großer Boom in dem Bereich, man will schnell vorankommen. Dies veranlasste Reinhard Hüttl, Präsident von Acatech, zu der flapsigen Nachfrage, ob die Chinesen schlauer seien als wir. Nein, sind sie nicht, antwortete Frau Günter, bislang können die uns nicht das Wasser reichen, doch sie lernen extrem schnell und schaffen eine Infrastruktur an die vor 10 Jahren noch nicht zu denken gewesen wäre. An ITER arbeiten die Chinesen mit Freuden mit, hier lernen sie wie es geht, und bringen dann aber einen völlig neuen Drive rein wenn es um die Umsetzung der Erkenntnisse geht. Und sie haben kein Problem damit, sollte einmal irgendein Schritt zum Versagen führen. Dann machen sie es eben noch mal, aber besser. Frau Günter verglich das Vorgehen der Chinesen mit dem Apollo-Programm, es wird in viele verschiedene Richtungen geforscht, um dann das Beste weiter zu entwickeln. Demgegenüber steht die europäische Strategie, wonach immer erst die Ergebnisse der gegenwärtigen Versuche ausgewertet werden, bevor der nächste Schritt getan wird.
Noch ist Deutschland führend in der Fusionsforschung, sagt Frau Günter, um hinzuzufügen: "Die Betonung liegt auf noch."
Verweise / Erläuterungen:
(1) Das Institut werde zunächst für sieben Jahre mit neun Millionen Euro von Bund und Land jährlich gefördert.
[Spiegel: Potsdam bekommt eine Denkfabrik für Klimaforschung]
[IASS: Über uns]
(2) Das Projekt wird von IASS-Exekutivdirektor Prof. Dr. Klaus Töpfer geleitet, gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Kleiner und Dr. Günther Bachmann.
[Plattform Energiewende (TPEC)]
(3) Eine gemeinsame Veranstaltung des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) mit acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Max-Planck-Gesellschaft.
[Aufzeichnung der Experten-Anhörung am 28. Juni 2012 in Berlin]
(4) Videomitschnitt des Statements von Hans-Joachim Ziesing (20:02 min).
[Youtube: Die Infrastruktur im Energiesektor im Jahr 2050]
(5) Videomitschnitt des Statements von Ines Zenke (16:07 min).
[Youtube: Die Energiewende aus Sicht einer Rechtsanwältin]
(6) Videomitschnitt des Statements von Sibylle Günter (11:10). Einen ähnlichen Vortrag hielt sie auf den 10. Münchner Wissenschaftstagen unter dem Titel: "Energie erzeugen wie die Sonne - die Kernfusion im Energiemix der Zukunft." Hier werden aber wesentlich mehr technische Details allgemeinverständlich dargestellt.
[Youtube: Zukunft der Kernfusion]
[Energie erzeugen wie die Sonne - die Kernfusion im Energiemix der Zukunft (PDF | 1,3 MB)]
(7) Der Reaktor soll die technische Machbarkeit sowie Gebrauchstauglichkeit der Energiegewinnung aus Kernfusion demonstrieren. Den Berechnungen zufolge soll etwa zehnmal so viel Energie aus dem Plasma freigesetzt werden, wie zu dessen Aufheizung und Stabilisierung notwendig ist.
[Wikipedia: ITER]
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