31. Mai 2020

Notizen im Mai

Sonntag, 31. Mai 2020

 
„Kanz­le­rin Mer­kel hat die­se Po­li­tik in den ver­gan­ge­nen Jah­ren weit­ge­hend al­lein ge­prägt. The­men wie Men­schen­rech­te und Rechts­staat­lich­keit sprach sie zwar an, ord­ne­te sie aber an­de­ren In­ter­es­sen un­ter, den Wirt­schafts­be­zie­hun­gen vor al­lem, aber auch dem Kampf ge­gen den Kli­ma­wan­del.“ So ist es in den MS-Nach­rich­ten zu le­sen. Es geht um den Kon­flikt um Hong­kong und Chi­na und wie sich die Bun­des­re­pu­blik da­zu stellt.
 
Ge­ra­de die­se Her­an­ge­hens­wei­se, im Ar­ti­kel als re­al­po­li­ti­sche Er­wä­gun­gen be­zeich­net, ist bei Mer­kel aber nicht nur in der Au­ßen- oder sons­ti­gen Po­li­tik zu be­ob­ach­ten, son­dern prak­tisch über­all. Men­schen­rech­te und Rechts­staat­lich­keit in­ter­es­sie­ren sie nur, wenn es ihr in den Kram passt. Meist sind sie nur hin­der­lich. Wah­len wer­den für nich­tig er­klärt, die Gren­zen für Ein­wan­de­rung ge­öff­net, der Rechts­staat zählt nicht mehr, der Cha­rak­ter ih­rer Po­li­tik, viel­leicht gar ihr ei­ge­ner, of­fen­bar­te sich schon lan­ge vor Co­ro­na oder den nun sich ab­zeich­nen­den Kon­flikt mit Chi­na. Ich muss mich kor­ri­gie­ren, das »viel­leicht« strei­chen, es ist ganz si­cher ihr ei­ge­ner Cha­rak­ter, der sich in ih­rer Po­li­tik zeigt, die po­li­ti­schen Über­zeu­gun­gen sind ne­ben­säch­lich.   #

15. Mai 2020

Die Verwandlung der Opportunisten

Die De­mons­tra­ti­on am 9. Mai in Stutt­gart ge­gen die Be­schrän­kun­gen des Le­bens, dem Shut­down, der Co­ro­na-Ver­ord­nun­gen, al­so al­le die­se Maß­nah­men von de­nen die Re­gie­ren­den und ein gro­ßer Teil der Be­völ­ke­rung an­neh­men, sie sei­en not­wen­dig zur Be­kämp­fung der Co­ro­na­Kri­se, be­gann ei­gent­lich schon auf dem Hin­weg in der S-Bahn. Ein jun­ger Mann, mit Ruck­sack und ei­ni­gen Pa­per­back­Aus­ga­ben vom Grund­ge­setz in der Hand, ging durch den Zug, ver­teil­te kos­ten­los un­se­re Ver­fas­sung. Ei­ni­ge steck­te er in die Ab­la­ge, dort­hin wo sonst die Wer­bung von der SSB drin ist, man­che wur­den ihm di­rekt aus der Hand ge­nom­men. So auch von ei­nem an die zwei Me­ter gro­ßen Hü­nen und ge­schätzt mit eben­sol­chen Bauch­um­fang. OK, das ist über­trie­ben, so dick war er dann doch nicht. Er sah eben recht be­leibt aus, ei­ne im­po­san­te Er­schei­nung; in sei­nen kur­zen Ho­sen und San­da­len wirk­te er al­ler­dings so, als wä­re er ge­ra­de aus ei­ner Asi-Pen­ner-Knei­pe ge­kom­men. „Oh ja, gib mir eins her, ich ha­be da schon lan­ge nicht mehr rein­ge­schaut,“ sag­te er viel zu laut zu dem jun­gen Mann, der die­se Büch­lein ver­teil­te, woll­te da­mit al­ler­dings ganz si­cher nur auf sich auf­merk­sam ma­chen und al­len zu ver­ste­hen ge­ben: „Schaut her, ich tra­ge kei­ne Mas­ke, ihr Feig­lin­ge!“

10. Mai 2020

Wie aus Idealismus Totalitarismus wird

Im­mer wenn et­was als gro­ße Auf­ga­be für Ge­mein­schaf­ten er­klärt wird, völ­lig egal um was es geht, Kli­ma­wan­del oder Co­ro­na bei­spiels­wei­se, ist das mit To­le­ranz- und De­mo­kra­tie­ver­lust ver­bun­den; denn der Kampf ge­gen das er­klär­te Pro­blem, die er­kann­te Be­dro­hung, kann nur wirk­sam ge­sche­hen, wenn al­le sich dar­an be­tei­li­gen. Tun das nicht al­le, sind al­le Be­mü­hun­gen von vorn her­ein zum Schei­tern ver­ur­teilt. Die Kämp­fer ge­gen die Be­dro­hung, völ­lig egal ob die re­al oder nur ima­gi­när sind, kön­nen Ab­weich­ler nicht dul­den, die­se müs­sen zur Not mit Ge­walt ge­zwun­gen wer­den beim er­klär­ten Krieg mit­zu­ma­chen. Nur wenn die Ge­mein­schaft ge­schlos­sen und voll­zäh­lig den Kampf auf­nimmt, hat sie ei­ne Aus­sicht auf Er­folg. Plu­ra­li­tät und Mei­nungs­frei­heit wird in sol­chen Zei­ten be­reits als Ge­fahr wahr ge­nom­men.

6. Mai 2020

Die politischen Langzeiteffekte der Corona-Krise

Im Ta­ges­spie­gel wird ei­ne Stu­die vor­ge­stellt, nach der die ›Spa­ni­sche Grip­pe‹ (1918-20) welt­wei­te po­li­ti­sche Aus­wir­kun­gen ge­habt hät­te. So wird bei­spiels­wei­se der Auf­stieg der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten da­mit be­grün­det. Dort wo es be­son­ders vie­le To­des­fäl­le ge­ge­ben hät­te, wä­re dann – ei­ni­ge Jah­re spä­ter – auch der Wäh­ler­an­teil für die Na­zis am höchs­ten ge­we­sen.

Si­cher ist das ein we­nig an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen ist, viel­leicht liegt es auch an ei­ner mög­li­cher­wei­se ver­kürz­ten Dar­stel­lung im Ta­ges­spie­gel, doch ein Satz ließ mich auf­hor­chen, dort wird er­wähnt, dass die­ser Push­ef­fekt für an­de­re po­li­ti­sche Ex­tre­mis­ten, wie die Kom­mu­nis­ten, nicht exis­tier­te. War­um nicht, wird nicht er­wähnt, aber die Ant­wort er­gibt sich ja von selbst, Kom­mu­nis­ten sind ih­rem Selbst­ver­ständ­nis nach In­ter­na­tio­na­lis­ten, was in Zei­ten der Be­dro­hung durch ei­ne Epi­de­mie nicht be­son­ders at­trak­tiv ist. Wird die­se re­al, ist eher die Rück­be­sin­nung und der Schutz des Ei­ge­nen wich­tig, zu­min­dest wich­ti­ger als Uto­pi­en.