5. Februar 2018

Ein paar Worte an die Trauernden

Ein Trauerzug zieht vorüber, ich halte Abstand, will nicht aufdringlich erscheinen, auch nicht Trauer heucheln, obwohl ich die Tote kannte. Doch ich respektiere die Gefühle der Angehörigen und Freunde der Verstorbenen, also halte ich mich fern und rufe nicht, obwohl es mir auf der Zunge liegt: „Um die ist es nicht schade“!

Nur um eines bitte ich euch: „Plärrt mir nicht eure Trauerreden in die Ohren, dreht die Lautsprecher runter!“ OK, ich kannte die Tote nicht als sie noch jung war. Wohl die wenigsten der heute hier jammernden und klagenden Anwesenden taten das. Ihr stand nämlich der Tod bereits Jahrzehnte ins Gesicht geschrieben, ihr habt es nur nicht gesehen. Mit viel Schminke gelang es ihr zwar kurzzeitig vital auszusehen, ein paar Jahre trug sie hauptsächlich Gelb auf, danach Augenlider und Lippen nur noch grün verkleistert, wer aber genau hinschaute, merkte schnell, es passt nicht mehr zusammen. Sie meinte, davon wird sie wieder jung, dabei konnte sie keinen Trend mehr setzen, sondern kopierte nur noch das, was gerade Modetrend schien.

In ihrer Jugend trug sie rotes Make-up, das stand ihr schon. Zumindest kann ich mir vorstellen, dass sie damit mal attraktiv und begehrenswert ausschaute. Vielleicht lag es aber auch an ihrer geistigen Vitalität, die ihr nachgesagt wurde - wer weiß das heute schon noch. Als ich sie kennenlernte, die alte Tante SPD, erschien sie mir bereits recht verbraucht und verlebt. Egal welche Schminke sie auftrug, die Versprechen, welche sie damit gab, konnte sie nicht mehr erfüllen.

Sei es drum, meine Tante war sie nie und hingezogen zu ihr fühlte ich mich schon gar nicht. Ich stehe nicht auf Schminke, wenn sie nicht den Charakter unterstreicht und nur vorgaukeln soll. Ihr trauert nun um sie, ich respektiere das und lasse euch in Ruhe. Vielleicht hat sie der Bestatter zum Begräbnis schön hergerichtet, sodass ihr weiter der Illusion nachhängen könnt, sie wäre bis zum Schluss begehrenswert gewesen. Das war sie aber keinesfalls, denn sie wurde grantig. Während andere im Alter wenigstens so etwas wie Weisheit entwickeln, ihre Lebenserfahrung weiterzugeben bereit sind, wurde eure Tante nur besserwisserisch und arrogant und anmaßend.

Deshalb trauere ich nicht um sie und bitte euch: respektiert meine Gefühle ebenfalls. Zu eurer Familie, die sich nun im Trauerzug versammelt hat, gehörte ich sowieso nie. Ich empfinde keine Trauerverpflichtung. Also begrabt eure Tante schnell, weint um sie und die Illusionen die mit ihr beerdigt werden. Aber bitte, dreht die Lautsprecher ein wenig runter und jammert untereinander. Mir sind die Trauerreden, so ich sie zwangsläufig anhören muss, langsam zu viel. So sehr ich mich auch bemühe eure Empfindungen zu verstehen, wenn ihr so tut, als müssten wir alle eure Tante vermissen, dann ist das nur peinlich. Ich jedenfalls tue es nicht.

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