Volker Kauder, mit schicker neuer Brille, vielleicht hat er die auch schon länger, mir ist es nur noch nicht aufgefallen, also der Volker Kauder hat mal wieder was gesagt und dabei irgendwie auch nichts gesagt. Im Phönix habe ich es gesehen, einmal am Nachmittag, und nochmal Nachts. Irgendwie um Flüchtlinge ging es, und um die EU, so richtig habe ich nicht hingehört, so langsam macht sich eine gewisse Immunität dem Thema gegenüber breit, es erreicht mich nicht mehr, vor allem dann, wenn es im TV kommt. Ein Einheitsbrei auf allen Sendern, einschläfernd weil so vorhersehbar. Eine ständige Weitererzählung, die wie Wiederholungen wirken, weil sie immer aus der gleichen Perspektive beleuchten. Schon wenn man den Titel eines Beitrages vernommen hat, weiß man was danach kommt. Fast so wie im KIKA, dem Kinderkanal von ARD und ZDF, nach 21 Uhr. Dort läuft dann in einer Endlosschleife »Bernd das Brot«, immer der gleiche Film, tage- und wochenlang. Aber der Bernd ist natürlich witzig, so wie er sich miesepetrig über alles mokiert was ihm passiert. Nur einmal kommt bei ihm Begeisterung auf, als er geradezu vor Freude und Stolz ausflippt, in dem Moment als er erfährt, dass er zum Vorsitzenden des Raufasertapetenfanclubs gewählt wurde. Die Begeisterung weicht schnell einer deprimierenden Selbsterkenntnis, für Raufasertapte interessiert sich eigentlich keine Sau, doch das ist nicht der Punkt. Dramaturgisch stellt diese Szene den Höhepunkt dar. Man wird plötzlich aufmerksam und fragt sich, was wohl mit dem Bernd passiert ist, dass der auf einmal ein ganz anderes Bild von sich präsentiert. Sonnst bruddelt der ja nur, immer nach dem gleichen Muster.
Wenn ich nun in diesen Zeiten Äußerungen von Politikern oder Journalisten in TV sehe, so hat das auf mich die gleiche einschläfernde Wirkung, wie wenn ich den KIKA nach 21 Uhr anschaue. Auch hier läuft die Endlosschleife. Ich bemerkte Kauders neue Brille, das war schon alles. Blabla, Flüchtlinge, Verteilung, blabla, Verantwortung, EU, blabla, Quote. Doch halt! Auf einmal so was wie der Anflug eines verschmitzten Lächeln in Kauders Gesicht. So jedenfalls meine Erinnerung. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, in irgendwelchen Mediatheken nach dem entsprechenden Video zu suchen, um mir eine Bestätigung meines Eindrucks und meiner Erinnerung zu holen. Es würde ja auch nicht mehr stimmen, denn heute, nachdem geschehen ist, was geschehen ist, hätte ich eine Erwartungshaltung an das Video. Nein, ich will nicht immer misstrauisch meinen eigenen Eindrücken gegenüber sein, sozusagen nach einer Bestätigung suchen, einem Dokument, welches meine Empfindungen beweist. Diese sind in dem Moment wahr, wenn sie geschehen, wenn ich sie spüre. So etwas lässt sich nicht wiederholen. Wenn ich mich heute auf die Parkbank, gleich neben dem Kastanienbaum, setzte, so empfinde ich anders als gestern oder morgen.
Irgendetwas war es jedenfalls, was meine Aufmerksamkeit steigerte, vielleicht ein verschmitztes Lächeln, vielleicht auch was anderes. So wichtig ist es nicht. Und wie ich aufmerksam wurde, sprach Kauder plötzlich von den Grünen. Das passte nicht ins Blabla vorher, es war was anderes. Ein Stimmungswandel war spürbar, wie beim Bernd als der von der Raufasertapete spricht. Irgendwas von Verantwortung und Realität erwähnte Kauder, mit Verweis an die Grünen, und dass man eben Realitäten anerkennen müsse, und dass sich die Grünen hier noch bewegen müssten. Ich rieb mir die Augen, hatte ich irgendwas verpasst, sind die schon in Koalitionsverhandlungen? Den Boris Palmer erwähnte er noch, mit einem Zitat, und dass die Grünen eine wenig auf den Tübinger Oberbürgermeister hören sollten. Ich dachte, nun kommt noch ein wenig mehr vom Palmer, der hatte nämlich erst kürzlich der taz ein Interview gegeben, und darin Aussagen getätigt, von denen ich bisher glaubte, sie bei der CSU verorten zu müssen. Doch ich hatte mich getäuscht, es kam nichts mehr dementsprechendes, es ging weiter im blabla, Verhandlung, Grenzen, blabla, Herkunftsländer, blabla. Die Augenlider wurden mir wieder schwerer, die Spannung war raus.
Warum spricht er aber, so fragte ich mich später, die Grünen direkt an? Und dass sie sich bewegen müssten. Warum gerade sie? Sicher, Politiker von Kaliber eines Volker Kauder beherrschen taktisches Geplänkel aus dem Effeff. Doch das war es nicht, sondern mehr ein Rat oder eine Bitte an Freunde, an kommende Partner. Ich dachte, ich sehe eine ausgestreckte Hand: Kommt noch ein paar wenige Schritte, dann sind wir zusammen! Auch deswegen schaue ich mir das Video nicht noch mal an, eine ausgestreckte Hand ist dort sicher nicht zu sehen. Aber ich sah sie, in dem Moment als es geschah. Freilich weiß ich, dass mir hier die Phantasie einen Streich spielt, dennoch glaube ich, dass mein Eindruck, und mein Empfinden wahr ist, und nicht jenes was mir mein Verstand oder andere Leute erzählen.
Vielleicht war es die wirklich wichtige Nachricht in der kleinen Rede Kauders, dass die CDU und Grünen sich schon bis auf wenige Schritte genähert haben und ein gemeinsames marschieren nur noch eine Frage der Zeit ist, dass die Koalitionsverhandlungen eigentlich schon begonnen haben. Sein Lächeln und die ausgestreckte Hand sind eindeutige Hinweise darauf, und ich bin mir sicher, nicht nur ich habe dies gesehen. Natürlich müssten erst noch Wahlen abgehalten werden, doch die sind ja nur Formsache. Hauptsache alles bleibt ruhig bis dahin, keine Aufregung verunsichert die Kinder. Wie im KIKA nach einundzwanzig Uhr, eine Endlosschleife phlegmatisiert den Zuschauer oder Bürger. Wir schaffen das, so heißt es an den wichtigen Stellen, und damit dies auch schön schaffbar erscheint, übernehmen praktisch alle TV Kanäle die Rolle vom Kinderkanal. Bernd das Brot geleitet die Bürger in den Schlaf: Wir schaffen das, blabla, wir sind ja so gut, blablabla. Ob Flüchtlinge, ob Energiewende, ob Eurorettung, nur keine Aufregung Kinder, wir schaffen das schon. Aber nun Zähneputzen und ab ins Bett, schaut, der Bernd ist schon im Fernsehen. Schlaf schön mein liebes Deutschland, und träum was süßes.
Ich meine, hier wird es sich um etwas anderes gehandelt haben als um eine Verwirklichung eines Traumes von Volker Kauder, schon bald einmal eine Regierungskoalition mit den Grünen bilden zu dürfen (Alpträume sind ja auch irgendwie Träume)... :D
AntwortenLöschenEs ist ein anstehendes Projekt der Regierung, die Staaten Kosovo, Montenegro und Albanien zu sogenannten sicheren Herkunftsländern zu erklären, um die große Zahl momentan von dort eintreffender Asylanträge schneller bearbeiten zu können, was natürlich bedeutet, daß man schneller abschieben könnte (ob unser Staat dann auch alles macht, was er könnte, darf allerdings nach den bisherigen Erfahrungen bezweifelt werden). Dies ist nur möglich, wenn der Bundesrat zustimmt, was wiederum bedeutet, daß mindestens zwei Landesregierungen zustimmen müssen, an denen die Grünen beteiligt sind. Hierbei zeigte sich bisher, daß die Südwestgrünen (Kretschmann, Palmer usw.) noch diejenigen unter den deutschen Grünen sind, die am ehesten zu pragmatischen Haltungen bereit sind, denn ansonsten ist ja die Hautpkompentenz der Grünen eher der Bau von Luftschlössern. Kauder wollte also ziemlich sicher nur diesen Pragmatismus anmahnen, damit die Liste der sicheren Herkunftsländer erweitert werden kann. Ein eventuelles Glitzern in den Augen Kauders könnte ich mir dadurch erklären, daß ihm eventuell folgendes durch den Kopf ging, als er mit Phoenix sprach: "Und wenn sie sich sperren, wäre das ja auch nicht schlecht... dann haben wir bei der nächsten Bundestagswahl die reelle Chance, daß die Grünen unter 5% bleiben." Kauder weiß doch genau, wie sich die Stimmung der Bevölkerung entwickelt, und damit auch ihre Toleranz gegenüber Bewohnern von Wolkenkuckucksheimen. Auch noch so Willkommenskulturbewegte werden eines Tages an die Schwelle kommen, an der sie leise "Vielleicht ist genug doch auch irgendwie genug" vor sich hinmurmeln... Thilo Sarrazin formulierte es in der Weltwoche so: "Die emotionale
Macht der Bilder erstickt die Betätigung der kritischen Vernunft, und dagegen ist offenbar kein Kraut gewachsen. Die einzige denkbare Heilung davon mag ich mir gar nicht wünschen: nämlich dass negative Erlebnisse und Erfahrungen mit den Folgen der Hilfsbereitschaft diese in ihr Gegenteil umschlagen lassen." Eine derartige "Heilung" hätte aber auch für die CDU keine wählermagnetische Wirkung, eher im Gegenteil... denn mehr noch als an die Verträumtheit der Grünen wird sich der künftige Wähler an das konkrete Verhalten Merkels erinnern... dereinst, wenn es darum geht, mit den Folgen der Flüchtlingspolitik ihrer Regierung in noch ganz anderem Maße fertig zu werden als es heute der Fall ist.