18. September 2017

Im Postpluralismus

Pluralismus bedeutet die friedliche Koexistenz von Richtig und Falsch. Was jeweils richtig und falsch ist, liegt im Auge des Betrachters. Aber die Regeln der Auseinandersetzung, des Streits darum was richtig und falsch ist, verlangen nicht nur die Gewaltfreiheit, sondern auch gegenseitigen Respekt. Heute, im Zeitalter des Postpluralismus, gelten diese Regeln der Auseinandersetzung nicht mehr, was richtig und falsch ist, wurde von der Moralkommission ÖR-Rundfunk, inklusive großen Teilen der Presse, fest gelegt. Früher waren die mal nur neutrale Schiedsrichter, soweit das eben geht, bemühten sich aber zumindest die Regeln einzuhalten. Das ist vorbei.

Noch ist die Gewaltfreiheit nicht aufgekündigt, wohl aber der Respekt. Das Falsche verdient keinen Respekt. Mit dieser nun eintretenden Verachtung des Gegners beginnt der Postpluralismus. Er ist einer Religion gleich, das Falsche ist nicht mehr nur eine Meinung, es wird als Sünde gegenüber dem Richtigen empfunden. Der nächste Schritt, der zur Aufkündigung der Gewaltfreiheit, steht somit unmittelbar bevor. Moralisch legitimiert wird die Gewalt schon.

Die Anhänger des Pluralismus haben keine Mittel dagegen, außer sie machen sich das Verhalten der Postpluralisten zu eigen, kämpfen also mit den gleichen Mitteln, was sie dann selbst zu Postpluralisten macht. Das ist das Dilemma: Niemand kann sich an die Regeln halten, wenn es der Gegner nicht tut und der Schiedsrichter parteiisch ist.

Um die Antipoden wieder zu einen fairen Kampf zu zwingen, einen der nach pluralistischen Regeln geführt wird, mit Respekt also, ist es notwendig den Schiedsrichter auszutauschen. Gibt es jemanden der das zu tun verspricht? Den wähle ich, denn ich brauche das Spannungsfeld des Pluralismus, in dem sich die Gegner mit Respekt um Richtig und Falsch streiten. In diesem Spannungsfeld kann ich mir dann meine Position suchen, die nie ganz auf der einen oder der anderen Seite ist.

2 Kommentare :

  1. "In diesem Spannungsfeld kann ich mir dann meine Position suchen, die nie ganz auf der einen oder der anderen Seite ist."

    Und genau das ist wohl auch das Sinnvollste am Pluralismus. Wenn man ihn denn verstanden hat und ich glaube: daran hapert es von vornherein bei Vielen. Schwarz ODER weiß und grau gibt es nicht. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Postpluralismus.

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  2. Mein Applaus. Das Dilemma des verschmähten Pluralisten, dem die Schiedsrichter abhanden kamen. Dennoch kann man am Detail streiten:

    "Was jeweils richtig und falsch ist, liegt im Auge des Betrachters." Das ist nicht notwendig das Credo des Pluralisten. Denn ich glaube sehr wohl, dass es eine objektives richtig gibt (z.B. 1+1=2) und objektiv falsches gibt (1+1=3). Es ist also keineswegs der Glaube an den Subjektivismus erforderlich. In vielen Fällen ist aber die Erkenntnis auch des Objektiven immer nur Subjektiv, also potentiell irrtumsbehaftet. Der kritische Rationalismus ist darum nicht nur von einem Haarspalter vom Subjektivismus zu unterscheiden.

    Das Recht, sich irren zu dürfen, unterliegt nicht der Großzügigkeit der Meinungsführer, sondern ist eine unentrinnbare menschliche Grundverfasstheit, rechtfertigt aber weder Ignoranz, noch Fahrlässigkeit, noch Willkür, noch Lüge. Und darum ist auch die Moral des Pluralismus nicht Gegenstand besonders liberaler Ansichten der Aufklärung, sondern ergibt sich zwingend aus der Beobachtung der Geistesgeschichte.

    Postpluralismus ist darum nicht eine Ansicht wie auch andere Ansichten, die vom Pluralismus den gleichen Respekt einfordert, sondern ist belegbar eine vermeidbarer Ignoranz, und darum moralisch minderwertig.

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