Von Nordosten her kommt kräftiger und lang anhaltender Regen auf. Teilweise fällt dieser schauerartig verstärkt. Dabei sind bis Sonntag Früh Niederschlagsmengen zwischen 50 und 70 Liter, in Staulagen auch mehr möglich. Die Dauerregensituation dauert bis Sonntag Früh an und die Warnung wird voraussichtlich verlängert.
Wie der Zufall so will, gestern noch sah ich zufällig im TV, keine Ahnung welcher Sender, die Wiederholung einer „Tagesschau“ von vor 20 Jahren, inklusive Wetterbericht. Das war natürlich zum heulen, denn vor zwei Dekaden war es Ende Mai noch 20° warm und mit Sonnenschein. Nicht nur das Wetter war damals besser, auch der Wetterbericht. Kurz und knapp mit allen wichtigen Informationen, ohne dieses aufgeregte herumgehopse von schlecht angezogenen Mädels die mit geradezu spastischen Bewegungen glauben das Wetter erklären zu müssen. Aber zurück zum Thema. Nicht dass ich meine, die unterschiedlichen Temperaturen hätten irgendetwas mit dem Klimawandel zu tun, wir haben eben bloß ein richtiges Scheißwetter zur Zeit. Der Frühling war ein Reinfall, wenn ich ehrlich bin, es steckt mir immer noch der Winter in den Knochen. Und dabei ist das Jahr bald zu Hälfte rum. Kurz und gut, die Umstände sind ausgezeichnet um übers Wetter zu sprechen und nach dem Klimawandel zu fragen.
Bei vergleichbaren dieser privaten Befragungen war das Ergebnis recht frustrierend. Keiner wollte Auskunft geben, abwertende Gesten waren als häufigste Reaktion zu vermerken. Oder ein genervtes „ja, ja“ als Antwort, was aber, in Verbindung mit der dargebotenen Mimik und Gestik und im Tonfall ein eindeutiges „ach, lass mich bloß mit dem Scheiß in Ruhe“ bedeutete. Im übrigen, mal als Zwischenfrage an mich selbst: Wie machen die das eigentlich bei professionellen Umfragen, wird da auch auf Mimik und Gestik geachtet? Das ist wohl schlecht möglich, aber eigentlich sagt doch die Körpersprache meist mehr aus als Worte. Egal, sei es drum, von solchen Umfragen hört man sowieso nur, wenn es demjenigen der sie bezahlt in den Kram passt.
Auch meine Umfragen haben natürlich keinen repräsentativen Charakter, heute schon gar nicht, an der Tanke war nur eine Person und die stand an der Kasse, also der Kassierer selbst. Somit war schon von vornherein klar, es wird ein hundertprozentiges Ergebnis geben: Pro, Contra oder Neutral zum Klimawandel. Noch eine Zwischenfrage: Welchen Einfluss hat eigentlich die äußere Erscheinung des Interviewers auf das Ergebnis? Wie hat derjenige ausgesehen der die Befragung durchgeführt hat und in welchem Tonfall, mit welcher Körpersprache arbeitet dieser? Hier müsste ich mich nun selbst beschreiben, aber da diese Umfrage ja nur eine Person betraf, denke ich hier darauf verzichten zu können. Zumal das Bild welches man von sich selbst hat, selten objektiv ist.
„Das Problem sind hier bei uns nicht die Temperaturen, sondern dass die Jahreszeiten verschwinden, wir haben schon seit Jahren keinen richtigen Frühling mehr, der verschwindet ganz.“ Mit diesen Worten erklärte mir der Tankwart den Klimawandel, erwähnte dann noch die Ozonschicht, und dass er trotz der Kälte heute schneller einen Sonnenbrand bekommen würde als früher. Kurz und gut, 100% der Befragten, es war ja nur einer, gingen davon aus, dass sich der menschengemachte Klimawandel deutlich zeige. Mit einer etwas kuriosen Begründung zwar, aber die müssen wir natürlich respektieren, bei repräsentativen Umfragen wird ja auch nicht danach gefragt wie die Leute zu ihre Meinung kommen. Und ich wollte den sympathischen Tankwart nicht belehren, machen andere Interviewer ja auch nicht. Also war für mich damit die heutige Umfrage abgeschlossen und ich konnte an die Auswertung gehen.
Und die brachte erstaunliches zu Tage. Es war seit langer Zeit das erste mal, dass sich jemand so eindeutig geäußert hat. Meist, und in letzter Zeit immer, wurde mir nur signalisiert, dass man dem Thema überdrüssig sei. Eindeutige Stellungnahmen waren die absolute Ausnahme. Doch diese heutige Befragung unterschied sich grundlegend von den vorherigen. Es war nämlich nur eine Person anwesend, niemand sonst hat zugehört. Dieser Umstand hat sicher dazu geführt, dass sonst übliche Hemmungen nicht vorhanden waren. In einer Gemeinschaft die sich zufällig zusammenfindet, wie in einer Schlange an der Kasse des Supermarktes, oder beim Bäcker, traut sich keiner offen zu sprechen. Jeder hat Angst sich bloß zu stellen, dabei ist auch nicht so von Bedeutung ob die Befragten nun eher Skeptiker oder Alarmisten sind. Einer Antwort wird ausgewichen.
Nun kenne ich ein derartiges Verhalten noch aus der ehemaligen DDR, auch da war es Usus sich öffentlich besser nicht zu brisanten Themen zu äußern, insbesondere wenn man die Überzeugungen der anderen Anwesenden nicht kannte. In Einzelgesprächen, dann wenn etwas Vertrauen zum Gegenüber gebildet werden konnte, wurden die Äußerungen konkreter.
Nun will ich nicht das System DDR mit der amtlichen Klimameinungsdiktatur (nach der neuesten Veröffentlichung aus dem Hause Umweltbundesamt muss man das wohl so nennen) gleich setzen, eine falsche Bemerkung ist heute nicht mehr mit Gefahr für Leib und Leben verbunden, aber dennoch trauen sich die meisten Menschen nicht in der Öffentlichkeit über den Klimawandel zu sprechen. Die Befürchtungen, wonach man sich mit einer falschen Antwort blamieren könnte, ist sehr groß, und was wahrscheinlich noch entscheidender ist, den meisten Menschen ist es nicht möglich einzuschätzen wie die Meinungslage im allgemeinen ist. Während bei offiziellen Veranstaltungen in der ExDDR in jedem zehnten Satz, oder so, das Wort Sozialismus vorkam, so spielte dieser Begriff im alltäglichem Leben keine Rolle. Wenn ich da eine Diskussion beim Bäcker darüber beginnen wollte, hätte ich genau die gleichen Reaktionen bekommen wie die die nun beim Thema Klimawandel zu beobachten sind.
Und das ist auch schon das (Zwischen)ergebnis meiner Langzeitbefragung. Ob eine Mehrheit an den menschengemachten Klimawandel glaubt oder nicht, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, lediglich, dass sie zutiefst verunsichert sind, wenn es darum geht das Meinungsklima diesbezüglich einzuschätzen. Den offiziellen Verlautbarungen wird entweder misstraut, oder angenommen, dass die Mehrheit diesen misstraut. Und das steht im krassen Gegensatz zu offiziellen politischen Veranstaltungen wenn die auch nur entfernt mit dem Thema Umwelt zu tun haben. Da kommt auch in jedem zehnten Satz das Wort Klimaschutz oder Nachhaltigkeit vor. Im täglichen Leben spielt es dann keine Rolle mehr. Hier hat der Klimawandel einen hohen Peinlichkeitsfaktor, egal wohin man tritt, überall werden Fettnäpfchen vermutet.
Nach diesen Erfahrungen wird meine nächste Umfrage ein komplett nonverbale Umfrage sein. Wieder in Geschäften, hauptsächlich Supermärkten. Ich werde den Menschen die mit mir in der Schlange stehen, versuchen in die Augen zu schauen, um festzustellen, ob sie sich für die Waren die sie kaufen eher schämen, oder nicht. Der Grad der Verunsicherung wird dann daran gemessen, wie lange der Gegenüber meinem Blick stand hält. Oder, wer packt seine Waren zuerst in die Tasche und bezahlt dann, die die BIO kaufen oder die anderen. Oder welche Waren werden zuerst eingepackt, für den Fall, was sehr häufig ist, dass sowohl BIO als auch anderes gekauft wurde. Auch hier interessiert mich der Peinlichkeitsfaktor. Ich würde beispielsweise die gekauften Kondome als erstes in der Tasche verschwinden lassen.
So, und wer jetzt glaubt, dies alles hier beschriebene ist doch kompletter Nonsens, der hat wohl recht; doch ist nicht Nonsens auch nur eine andere Beschreibung von offensichtlichen Dingen und Vorgängen?
Dieser Text ist im Buch Im Spannungsfeld |1 enthalten.
Wunderbar. Zu intelligent für den Durchschnittsleser. So erreichen Sie den BILD- oder SPON-Leser nicht...
AntwortenLöschen;-)
Danke.
AntwortenLöschenIch könnte mir gut vorstellen, daß einige Berfragungen tatsächlich so ablaufen. Und dann wird uns das als wichtige Erkenntnis verkauft.
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