9. Juni 2013

Suffizienz, Green Economy und die fröhliche Sesshaftigkeit

Die soziale Fallhöhe, die wir ins Unermessliche steigern, durch einen konsumistischen und damit auf Wachstum beruhenden Lebensstil, das ist ein weiteres Problem was wir lösen müssen. Das geht nur über einen Rückbau.
Dies sagte im WiWotalk der Wachstumskritiker Nico Paech im Videochat mit Ralf Füchs, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung. Wie dieser Rückbau auszusehen hat, davon hat Peach auch konkrete Vorstellungen, beispielsweise das hier:
75% der Flughäfen müssten unbedingt still gelegt werden und die Hälfte der Autobahnen. [...] Da ist es viel viel sinnhafter eine fröhliche Wende zur Sesshaftigkeit anzupeilen.
Hier könnte man nun kalauern, wenn es nicht so traurig wäre, dass die Fallhöhe vom Pferd oder vom Fahrrad auch nicht so hoch ist, wie aus einem, oder mit einem, Flugzeug. Doch Spaß beiseite, Peach spricht nur deutlich aus wovon auch andere Postwachstumsökonomen überzeugt sind. Nur durch Suffizienz, sprich Wohlstandverluste, werde sich eine drohende ökologische Apokalypse verhindern lassen. Helfen kann hier nur eine neue Genügsamkeit, wer sozial nicht aufsteigen kann, nicht darf, der kann auch nicht so tief fallen. Ein Rückbau der (sozialen) Fallhöhe bedeutet nichts anderes. Doch dass diese fröhliche Sesshaftigkeit, die ja nur stellvertretend für eine allumfassende Genügsamkeit, oder Verzicht wie andere sagen, sich sozusagen durch Überzeugungsarbeit erreichen ließe, daran glaubt Herr Peach offensichtlich selbst nicht und möchte Tatsachen schaffen um die Menschen zu ihrem Glück zu zwingen. Dreiviertel der Flughäfen und die Hälfte der Autobahnen müssen unbedingt still gelegt werden ... .

Selbst vielen Grünen geht das zu weit und Ralf Füchs bezeichnete diese Vorstellungen als grünen Morgenthauplan, für den man zu Recht niemals eine Akzeptanz in der Bevölkerung finden werde. Von Füchs Vorstellungen einer „Green Economy“, und wie weltfremd diese ebenso ist, müssten wir auch sprechen, doch dies ein anders mal. Soviel nur, Peach weist auf die naturzerstörerischen Auswirkungen der Energiewende hin.
Wir sind jetzt schon dabei die Natur abzuschaffen, wegen der sogenannten Energiewende.
Nun ist dieser Disput nicht nur ein innergrüner, hier zeigt er sich aber in seiner ganzen Widersprüchlichkeit. Die Vorstellungen einer Postwachstumsgesellschaft sind eben bei den Grünen besonders stark vertreten, gleichzeitig aber auch die Propagierung eines „grünen Wachstums“. Dass dies nicht zusammengeht, wurde in diesem Gespräch deutlich. Aber beides wird von den Grünen vertreten, obwohl die daraus resultierenden Handlungsnotwendigkeiten völlig konträr sind. Doch dieser Disput wird nicht geführt. Man bleibt lieber ungenau und kann sich das jeweils passende heraus picken. Heute Postwachstum, morgen grünes Wachstum.

Postwachstumsvorstellungen, so wie von Peach vertreten, sind in verschiedenen Umschreibungen aber bereits auf dem Weg in konservative Kreise. Da wird von Maßhalten gesprochen, oder besonders originell, wie von Uwe Schneidewind beim evangelischem Kirchentag von „Soviel Du brauchst“. Viele weitere Beispiele könnten folgen, die alle mit der Umschreibung „grüner Morgenthauplan“ klassifiziert werden können.

Die Erwähnung Schneidewinds in diesem Kontext ist kein Zufall, sondern seine Berufung in den WBGU macht auch deutlich, in welchen Netzwerken diese Jünger Morgenthaus aktiv sind. Alle im Bundestag vertretenen Parteien, mit Ausnahme der FDP, sind davon infiziert. Ein in der Enquete „Wachstum“ des Bundestages vorgestelltes Papier mit dem Titel Ideengeschichte des Fortschritts, deren Autoren mit Michael Müller (SPD) und Matthias Zimmer (CDU) angegeben werden, bläst ins gleiche Horn:
Doch erst mit der Botschaft des Club of Rome wurde die Prognose vom unausweichlichen Ende der menschlichen Zivilisation verbunden. Sie erschütterte die Idee des auf Wachstum reduzierten Fortschritts . Zahlreiche Folgearbeiten mit der Option, das Wechselverhältnis zwischen Mensch und Natur neu zu bestimmen belegen, dass es sehr wohl Möglichkeiten für ein entschlossenes Umsteuern gibt.
Die Vorstellungen einer „großen Transformation“ die in wesentlichen Teilen auch eine Postwachstumsgesellschaft anstrebt, sind in vielen Organisationen, NGOs sowieso, Parteien und in die Wissenschaft diffundiert. Nicht so klar und deutlich wie es Nico Peach beschreibt, sondern eher etwas verschämt als Suffizienz bezeichnet. So antwortete Herr Schneidewind auf eine Behauptung von mir im Enquete-Chat, wonach Suffizienz politisch nicht durchsetzbar ist (und hier bin ich mich mit Herrn Füchs einig) mit den Worten:
Wir haben am Wuppertal Institut ein Papier "Suffizienz als Business-Case" veröffentlicht, in dem deutlich wird, dass ein "Langsamer", 'Weniger" heute sogar schon in vielen Produkt- und Dienstleistungssegementen interessante Geschäftschancen birgt, weil sich die Menschen danach zunehmend sehnen. Ich bin daher bzgl. einer "Suffizienzpolitik" optimistischer als Sie.
Da ist natürlich der Wunsch Vater des Gedankens, und hier beruft sich Schneidewind, wie übrigens auch Peach, immer wieder auf die Glücksforschung. Eine überaus schwache Legitimation.

Nico Peach ist kein Politiker, die ja jede noch so zweifelhafte Maßnahme in ein positives Licht stellen müssen, deshalb kann er aussprechen was es bedeutet wenn heute von Suffizienz gesprochen wird: „Dreiviertel der Flughäfen und die Hälfte der Autobahnen müssen unbedingt still gelegt werden ... .“ Und was alles noch? Wie sieht es aus mit BASF, Daimler, Siemens, VW?

Diese Leute wollen unseren Wohlstand kappen, oder die soziale Fallhöhe durch Rückbau senken, und machen daraus keinen Hehl. Und für diejenigen die das nicht wollen, denen wird das Märchen von der „Green Economy“ erzählt. Die darf man sich ungefähr so vorstellen wie unsere Energiewende: Teuer und Nutzlos.

Ich hätte eine Antwort auf diese Leute die unseren Wohlstand vernichten wollen: „Fröhliche Sesshaftigkeit“. Am besten in Stammheim.



Dieser Text ist im Buch Im Spannungsfeld |1 enthalten.

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ISBN-13: 9783748112433
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6 Kommentare :

  1. "Ich hätte eine Antwort auf diese Leute die unseren Wohlstand vernichten wollen: „Fröhliche Sesshaftigkeit“. Am besten in Stammheim. "

    Ich denke nicht, dass diese Einbuchtungswunsch gegenüber politisch Andersdenkenden irgendwie hilfreich ist. Egal wie absurd die Grünen auf einen anderen Stern leben.

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  2. Lieber techniknoergler,

    im Prinzip gebe ich Ihnen ja Recht, nur sind die Äußerungen von Peach auch so zu verstehen, dass er die Infrastruktur Deutschlands bekämpft, und das ist schon in etwa in der gleichen Kategorie anzusiedeln, wie die ehemalige Forderung: „Macht kaputt was euch kaputt macht“.

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  3. Sehr geehrter Herr Quencher,

    der Vorschlag, den Herrn Paech in einem möblierten Zimmer in Stammheim unterzubringen schießt vielleicht doch über das Ziel hinaus. Eine Holzhütte wie die von Henry David Thoreau tut es sicher auch.
    Das Thema allerdings scheint bei den Weltrettern angesagt zu sein. Hier eine Meldung aus der hiesigen Lokalpresse.
    http://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteile/bremen-mitte/mitte_artikel,-Seminar-zur-Wachstumskritik-_arid,588577.html .

    M.f.G.
    L.R.

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  4. Seine Hoffnung auf "Überzeugungsarbeit" zu legen, lieber Quentin Quencher, beweist ein mindestens genausso großes Maß an Weltfremdheit wie das von Ihnen unterstellte auf Seiten der Wachstumskritiker. Suffizienzpolitik bedeutet doch nicht staatliche organsierten Verzicht, sondern Abbau der Infrastrukturen und Hindernisse, die ein nachhaltiges Leben verhindern. Dazu zählt besserer ÖPNV statt Betoninvestitionen in den Straßenbau, die Belohung von energiesparendem Verhalten, strengere Vorgaben bei Reparierbarkeit und Garantie von Produkten und eine restriktivere Politik gegenüber als Werbung getarnte Bedürfnismanipulation seitens der Industrie. Also: nichts mit Eingriff in die persönliche Freiheit, sondern im Gegenteil Ermöglichung von globalisierbarer Freiheit nachhaltiger Lebensstile.

    PS: Bis auf den Werbeaspekt findet sich alles im grünen Wahlprogramm. Da scheint die Diskussion wohl doch weiter, als Sie unterstellen.

    PPS: Die Stammheim-Forderung ist unter Ihrem Niveau.

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  5. @ Daniel

    Wer bewusst Infrastruktur zerstören will, weil sie einer Theorie im Wege steht, vernichtetet Wohlstand und noch mehr, er zerstört das Eigentum der jetzigen Generation. Für mich ist das nicht sehr weit entfernt von kriminellen Handlungen. Siehe auch: Nachhaltige Selbstzerstörung.

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  6. Konsumverzicht ist nicht die Lösung, sondern die Unfähigkeit Problem zu lösen.

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