2. Februar 2016

Der Wortwäscher

Der Wortwäscher hat seine Kinder umgebracht. Er selbst sieht es natürlich anders, er musste ihnen den Mund mit Seife auswaschen, weil sie dreckige Wörter verwendet haben. So wie früher, als die Prügelstrafe noch akzeptiertes Mittel in der Erziehung war, da gab es auch schon solche Eltern, die ihren Kindern den Mund mit Seife ausgespült haben, wenn diese unanständige Wörter gesagt haben. Dem Wortwäscher können die Worte gar nicht sauber genug sein, er wäscht sie mit Sagrotan. Jeder Geruch, jede Verfärbung muss beseitigt werden, auch aus dem Mund der Kinder. Mit dieser ständigen Mundwäsche hat er sie schließlich umgebracht.

Kürzlich hat sich der Wortwäscher mit ein paar Gleichgesinnten zusammengetan, eine Jury ins Leben gerufen, die wiederum ganz in der Tradition der Strafe Mundwäsche ein Unwort des Jahres gekürt haben.

Nun laufen sie umher, die Anhänger einer politisch korrekten Sprache nach eigenen ideologischen Richtlinien, mit der Seife in der Hand, um anderen den Mund auszuspülen. Es soll Menschen geben, die aus Angst vor der Seife nun keine Unwörter mehr verwenden, auch solche nicht, die noch nicht als Unwörter nominiert sind, es aber sein könnten. Die Sprache soll antiseptisch werden.

Ihre eigenen Kinder, die wie alle unsere Kinder die Namen »Worte und Sprache« tragen, haben die Wortwäscher mit ihren antiseptischen Mitteln vergiftet. Deren Sprache ist nun tot, wie ihr Denken.



Diese und weitere Imagenationen hier im: Der Mitläufer

Paperback
104 Seiten
ISBN-13: 9783734727290
7,50 €
E-Book
ISBN-13: 9783746057835
4,99 €


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