5. August 2016

Was geschieht im 21. Jahrhundert?

Ich habe Peter Sloterdijks neues Buch »Was geschah im 20. Jahrhundert?« [1] noch nicht gekauft oder gelesen, noch nicht mal verfolgt ob oder wie es das Feuilleton besprochen hat. Dies hole ich nun nach, muss selbst lesen, dem Feuilleton traue ich sowieso nicht, es kann in mir bestenfalls Interesse für etwas wecken, zum Beispiel dadurch, dass es ein Buch oder Stück verreißt.

In einer Buchbesprechung bei H/SOZ/KULT [2] ist der Sloterdijk nicht verrissen worden, aber es werden einige Punkte angesprochen, die mich, und sicherlich nicht nur mich, schon länger beschäftigen. Da wäre zum einen das Thema »Antropozän«. Eigentlich glaubte ich ja, darüber bereits eine Position gefunden zu haben [3]. Ein neues Interview in WIRED mit Kevin Kelly [4] lässt mich allerdings an meiner bisherigen durchaus bejahenden Haltung dazu zweifeln. Auch im Hinblick auf den Culteral Lag [5], oder der kulturelle Phasenverschiebung, die zweifellos größer werden muss, folgt man Kellys Visionen. Sloterdijk würde diese wohl „extremistische Vernunft“ nennen, vermute ich jetzt mal, und weiter: „Fundamentalismen der Simplifikation“. Der Philosoph spricht hat so, wie er halt spricht; mir ist es aber sehr gut verständlich. Wenngleich gut vorstellbar ist, dass diese Ausdrucksweisen viele Leser abschreckt. Die Denker wahrscheinlich weniger.

Bevor ich mich nun aber dran mache und die verschiedenen Sichtweisen aufs »Antropozän«, und auch auf Kellys »Technium«, gegenüber zu stellen, dabei auch meine eigenen früheren Annahmen auf den Prüfstand stelle, werde ich mich erst mit Sloterdijks »Was geschah im 20. Jahrhundert?« beschäftigen. Vielleicht wird mir dabei in Ansätzen erkennbar wie sich das 21. Jahrhundert entwickeln könnte. Wie sagte doch der große Winston Churchill so schön: „The farther backward you can look, the farther forward you can see.“ Denjenigen die nicht in die Vergangenheit schauen, dafür aber meinen die Zukunft vorhersagen zu können, misstraue ich gründlich. Noch mehr denen, die nur einen Vorwand für ihre Visionen suchen und dabei sehr selektiv zurück schauen. Vielleicht deswegen habe ich mit Science-Fiction noch nie was anfangen können, von Jules Verne mal abgesehen, aber da war ich auch noch Kind. Ein Kind darf naiv sein. Doch wohin Naivität, verbunden mit wunderschönen Zukunftsvisionen, führen kann, erleben wir ja in der gegenwärtigen Politik hierzulande.

Rechner aus, ich gehe jetzt in den nächsten größeren Buchladen um mir den Sloterdijk zu besorgen - und wehe die haben ihn nicht vorrätig.



[1] Peter Sloterdijk: Was geschah im 20. Jahrhundert? - Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft
http://www.suhrkamp.de/buecher/was_geschah_im_jahrhundert_-peter_sloterdijk_42507.html

[2] Timo Luks: Rezension zu: Sloterdijk, Peter: Was geschah im 20. Jahrhundert?. Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft. Berlin 2016 , in: H-Soz-Kult, 02.06.2016,
http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-25755

[3] Quentin Quencher: Anthropozän und Technium
Beide Begriffe erlauben einen Blick in die Zukunft, was vorstellbar ist, wie sich die Menschheit weiter entwickeln wird.
http://glitzerwasser.blogspot.de/2012/10/anthropozan-und-technium.html

[4] Karsten Lemm: „Ein Superorganismus aus Menschen und Maschinen entsteht“
https://www.wired.de/collection/tech/ein-superorganismus-entsteht-bestseller-autor-kevin-kelly-ueber-die-vernetzte

[5] Wikipedia: Cultural lag
https://en.wikipedia.org/wiki/Cultural_lag

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