25. März 2019

Eigentlichkeiten

Im Wikipediaeintrag über Adornos Werk ›Jargon der Eigentlichkeit‹ ist zu lesen:

Der Jargon fungiere als „Kennmarke vergesellschafteter Erwähltheit", edel und anheimelnd in eins; Untersprache als Obersprache; der Jargon verwende "marktgängige Edelsubstantive", Worte die "klingen als ob sie Höheres sagten, als was sie bedeuten", die sakral sind ohne sakralen Gehalt, Effekt sind als Wirkung ohne Ursache, die ein "nicht vorhandenes Geheimnis" vorgeben, die eine "Himmelfahrt des Wortes, als wäre der Segen von oben in ihm zu lesen" suggerieren, ein "ständiges Tremolo" und eine "präfabrizierte Ergriffenheit".

Weiter steht da:


Als formalen Charakter des Jargons bezeichnet Adorno eine rhetorische Praxis, die durch Kontext, Wortwahl und Tonfall die Worte als das Eigentliche, existentiell nicht mehr Hinterfragbare, erscheinen lassen und die die kritische Prüfung ihres Gehalts verhindert.

Eigentlich ging es Adorno in seinem Werk eher um Heidegger und dessen ›Sein und Zeit‹, welches er scharf kritisierte, auch weil er die Auswirkungen auf die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft erkannt zu haben glaubte.

Liest man diese Zeilen heute, so wird doch sehr deutlich, dass der heutige Jargon der politischen Korrektheit, in all seinen Facetten – von Gender- bis Ökosprache, Nachhaltigkeit-, Klimawandel- und EU-Narrative nicht zu vergessen – sich genauso beschreiben ließe. Ein riesiger Berg von Worten hat sich angehäuft, die eine kritische Prüfung ihres Gehaltes nicht zulassen.

Tja, die Zeiten ändert sich, die Dinge offensichtlich nicht wesentlich. Es verändern sich zwar Farbe und Geruch, die Vorzeichen, die Attribute, doch eigentlich bleibt alles gleich, in diesem Land.

1 Kommentar :

  1. Analyse und Gegenmaßnahmen sind trefflich zu unterscheiden. Adorno hatte stets einen Blickwinkel, der Dinge zum Vorschein brachte, die durchaus wirkmächtig sind. Und die Funktion des Jargons, eben als Eingeweihter quasi zum Sprecher einer Gemeinschaft zu werden, ist durchaus eine messerscharfe Analyse - wie wohl sie eine gewisse Abstraktionsebene adressiert. Ist es eine Gefahr für den gesellschaftlichen Diskurs und das eigene Denken?

    Ich denke ja, es ist eine weitere Facette im Kontext der Orwell'schen Sprachmanipulation. Dabei ist es weit weniger bedeutsam, ob es sich hier um bewusste Manipulationen zur Diskurshoheit handelt, oder ob sich ein Jargon aus einer Eigendynamik etabliert: Die Wirkungen ähneln sich. Was aber folgt aus der Analyse? Das Bewusstwerden von Worthülsen und subtiler Vereinnahmung bricht den Bann. Es ist wie das Erkennen des Kaisers neuer Kleider. Man macht sie sichtbar ... oder erkennt dessen nicht-substanzielle Natur.

    Aber Vorsicht: Nicht jedes Sprachspiel wird darum entwertet, sondern kann zurück geführt werden auf den eigentlichen Zweck: Die Vermittlung von bedeutsamen Inhalten.

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