29. Mai 2019

Die Heimat der Grünen

Menschen begehren eine Heimat, diese kann ein geistiges Konstrukt sein (ideologisch, religiös, kulturell) oder der Ort an dem der Mensch wurde. Meist ist eine Kombination aus beiden, oder wie es Peter Blickle beschreibt: Der Begriff Heimat bezieht sich auf einen Raum, seine Bewohner, Sitten und Bräuche, um sich selbst einer sozialen Ebene und der eigenen Identität zu versichern.

Die Grünen haben es geschafft, dieses Begehren nach Heimat anzusprechen, dieses Sehnsuchtsgefühl nach Zugehörigkeit und Geborgenheit, welches gleichzeitig dem eigenen ich einen Platz in der Welt zuweist und identitätsbeschreibend ist: Aus der Natur kommst du, du bist Natur, du wirst wieder in die Natur eingehen! Alle Erzählungen von Nachhaltigkeit und biologischen Kreisläufen bedienen diese Sehnsucht nach Heimat und Zugehörigkeit. Damit haben die Grünen den „Spatial turn“ geschafft, wie es Sozial- oder Kulturwissenschaftler nennen, wenn der (geografische) Raum (wieder) als kulturelles Gebilde wahr genommen wird, in dem sich die Bipolarität zwischen Verstand und Emotion auflöst und eins wird.

Dies war lange Zeit nicht möglich, oder wie es im Vorwort von „Raum – Gefühl – Heimat“ heißt: „Die soziopolitische Instrumentalisierung von Raum und Heimat im nationalsozialistischen Diskurs und ihre ebenfalls instrumentalisierte Literarisierung in der Blut- und Bodendichtung haben dazu geführt, dass seit der Nachkriegszeit jahrzehntelang jede wissenschaftliche Beschäftigung mit beiden Konzepten unter ideologischen Verdacht geriet.“

Hinzu kam noch, dass alte sinnstiftende Erklärungen, die dem Menschen einen Platz im Leben zuwiesen, wie Familie, Religion oder Volk, an Bedeutung verloren, sie wurden geschleift, sozusagen ein Kollateralschaden durch Liberalismus und Universalismus, manche meinen der Moderne insgesamt, welche zwar Freiheit versprachen, aber keine Heimat gaben. Gefühle und Emotionen gerieten schon seit Beginn der Aufklärung – vor allem in der Wissenschaft – in Verruf, galten als subjektiv, unstabil und unzuverlässig. Eine Antwort darauf, sowie auf die beginnende Industrialisierung, war dann die Flucht in die Romantik. Damit geriet die Heimat unter Kitsch-Verdacht und war in „intellektuellen Diskursen geradezu verpönt“, wie es auf der Rückseite des erwähnten Buches steht.

Die Grünen weisen den Menschen nun wieder einen Raum zu, indem sie ihn in die lokalen biologischen nachhaltigen Kreisläufe einfügen. Ihr Denken darüber scheint, zumindest oberflächlich, naturwissenschaftlich. Doch das Gefühl, welches bei dieser Verortung entsteht, ist sehr mit der „Volk und Boden Ideologie“ verwandt. Der Widerspruch zwischen Verstand und Gefühl ist überbrückt, diese Bipolarität aufgelöst. Die Heimat bekommt wieder sowohl den Raum, als auch das Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem, in Form von nachhaltigen Kreisläufen, in die der Mensch eingebunden ist, denen er unterliegt, die ihm vorgeben was und wie er zu sein hat. „Heimat ist, wo du dazu gehörst und wo du gebraucht wirst“ zitiert Claudia Roth den Soziologen Wilhelm Heitmeyer im Tagesspiegel und bringt es damit auf Punkt. Ohne Betrachtung des veränderten Gefühls für Heimat, insbesondere in Deutschland, wird sich der derzeitige Erfolg der Grünen nur oberflächlich erklären lassen.

Doch ist die Heimat der Grünen, in ihrer ideologisierten wie der gefühlten Art, der Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten näher, als der Romantik. Letzteres wurde ihnen schon oft unterstellt, doch die Romantik hat nie den imaginären Raum verlassen, blieb Sehnsucht und Traum. Dies ist nun anders geworden, eine scheinbar wissenschaftliche Ideologie unter dem Oberbegriff „Nachhaltigkeit“ hat sich unter das Gefühl gemischt und gibt ihnen nun eine logisch begründbare Legitimation. Raum und Ideologie vereinen sich, werden zur Heimat, deren wahren Charakter nur sie, die Grünen, erkannt haben. Das dachten aber die Blut-und-Boden-Ideologen auch.


Ein Nachtrag zu diesem Text: hier.



Dossier: Heimat


1 Kommentar :

  1. Martin Landvoigt3. Juni 2019 um 17:31

    Wenn die Identitäre Bewegung und die AfD den Begriff 'Heimat' nennen, dann ist das wie ein Nazi-Trigger. Man sieht schon den Sabber im Maul der Antifanten. Wenn die Grünen nun das gleiche sagen, dann ist das auf einmal ok, weil diese eben keine Trigger auslösen - keine üblichen Verdächtigen. Ich habe noch nicht mal was dagegen, wenn die Grünen die Heimat entdecken, es erscheint mir nur absurd, wenn sie diese bedenkenlos mit flächendeckender Verspargelung zerstören. Und es ist mir zuwider, wenn man nun doppelte Standards etablieren will.

    Blut und Boden ist z,B. Arabern, im Besonderen Palestinensern, ja ein unkritisches Selbstverständnis. Schlesiern, Sudetendeutschen und Ostpreußen gesteht man dieses nicht zu. Diese Zwangsfixierung auf Nazis ist in meinen Augen einfach nur krank. Das Gefühl der Entfremdung durch Veränderung des öffentlichen Raums sollte durchaus ernst genommen werden.

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