6. September 2019

Wahre und falsche Zeichen

Wenn meine Frau in die Kirche geht, dann – als bekennende Katholikin – bekreuzigt sie sich. Die Zeichen sind wahr und ehrlich. Würde ich das tun, als ehemaliger evangelischer Christ und heutiger Agnostiker, dann wären es falsche Zeichen, nur die Vorspiegelung einer falschen Tatsache, ich wäre ein Heuchler.

Es gibt verschiedene Gründe warum Menschen falsche Zeichen setzen, in den allermeisten Fällen haben sie damit zu tun, nicht mit einer Mehrheit in Konflikt zu geraten, ihnen das Zeichen zu geben: Ich gehöre doch dazu. Dies ist um so wichtiger, je prominenter jemand ist, denn der Prominente lebt von der Masse der Zuschauer, Wähler, Leser, Käufer, sie alle sind seine Kunden. Er darf sich keinen Konflikt mit ihnen erlauben und wird daher immer geneigt sein, solche Zeichen zu zeigen, die ihn als zur Masse gehörig erscheinen lassen – oder zu den Mächtigen, je nachdem was gerade wichtiger ist. Sind die Mächtigen wichtiger als die Masse, dann bekommen sie die Zeichen.

Die Frage ist nun, wie erkennen wir, ob jemand ehrliche oder falsche Zeichen setzt? Wer ist Heuchler, wer ist es nicht? Das ist recht einfach: An der Substanz! Wie verhält sich der Zeichensetzende, wenn er allein für sich ist, wenn er keine Rücksicht auf sein Außenbild nehmen muss, keine Mächtigen oder keine Massen ihn sehen oder beobachten können.

Zurzeit werden viele Zeichen gesetzt, gegen den Klimawandel, gegen Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit, gegen „was weiß ich auch immer“. TV-Sternchen geben wohlfeile Ratschläge, Wirtschaftsbosse hochmoralische Statements, Politiker fahren mit dem Fahrrad, die Liste ließe sich endlos weiter führen. Kaum einer lebt aber wirklich das, was er mit seinen Zeichensetzungen vorgibt. Ich erspare mir hier all die Beispiele zu nennen, weil sowieso jeder welche kennt.

Höre ich heute jemanden sagen: „Ich möchte ein Zeichen setzen gegen …“, dann unterbreche ich ihn hier an dieser Stelle und sage ihm: „Deine Zeichen interessieren mich nicht, die ganze Welt habt ihr Heuchler mit Zeichen zugepflastert, sage mir, was du tust, wenn keiner hinschaut!“

Doch er muss sich keine Sorgen machen, dass seine Heuchelei auffliegt, es stehen so viele Zeichen herum, in derartigen Massen, dass kaum einer sieht, was sich dahinter verbirgt, welche Substanz wirklich vorhanden ist.


2 Kommentare :

  1. Mir waren Äußerlichkeiten schon immer egal. Sei es Mode, sei es Haarschnitt, sei es das Auto, sei es dies oder das. Ich setze zwar keine bewussten Zeichen, aber meine Mitmenschen sehen in mir jemand der vorangeht, der keine Angst hat, der ohne Äußerlichkeiten auskommt, der aber Substanz hat, den man fragen kann und man Antworten bekommt, der sich selbst nicht so ernst nimmt, nicht wichtig sein möchte. Dass mich meine Mitmenschen so wahrnehmen, ist mir erst in letzter Zeit aufgefallen und mir gegenüber so kommuniziert und mitgeteilt worden. Mir war das, weil ich eben auf Äußerlichkeiten keinen Wert lege, selbst aber auch nicht groß darauf achte, lange Jahre entgangen. Außerdem kann ich, so wie mein Vater, der sich bei Lob immer am Kopf kratzte und total verlegen wurde, damit so richtig nicht umgehen.

    Nichtsdestotrotz benötigen viele Menschen ein "Zeichen", nicht so sehr weil sie es verinnerlicht haben, sondern weil sie Halt benötigen, je unruhiger ein Leben, um so mehr, um so mehr Zeichen hinter denen man sich scharen kann und die kollektiv Schutz geben. Denn nicht jeder Mensch kann angstfrei vorausgehen, denn die allermeisten suchen doch den Schutz in der "Herde", dem sozialen Verband, dem ein "Erkennungszeichen" immanent ist. Daher sind viele Menschen sicherlich im Herzen "Heuchler" gegenüber dem "Zeichen" was sie vorgeben zu geben, aber auch Mitglieder einer Schutz gebenden sozialen "Herde".

    Insofern sehe ich das nicht so streng wie der Autor ;-))

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