„Deutschland wird sich verändern und ich freue mich darauf“, war aus grünen Kreisen zur derzeitigen Immigration zu vernehmen, andere laufen schon mal mit Plakaten herum, auf denen „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ steht, oder „Deutschland verrecke“. Oder, ganz aktuell, Frau Merkel orakelt: „Die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns angewöhnt haben, werden wir in den nächsten 30 Jahren verlassen“. Eine unerklärliche Zerstörungswut machte sich in diesen Kreisen breit, verlässt die Debattierclubs und bleibt nicht mehr auf die Imagenationen derer beschränkt, die auf jeden Fall nicht das sein wollen, was sie sind: nämlich Deutsche. Jedenfalls nicht solche Deutsche, wie sie sich vorstellen wie Deutsche sind.
Falls diese Zerstörer erfolgreich sein werden, wenn also Deutschland stirbt – vielleicht nicht der Name, aber schon sein bisheriger Charakter – was bedeutet das für mich? Diese Frage ist nun nicht mehr ein Hirngespinst, sondern nimmt konkrete Gestalt an. Sie ist keine reine imaginäre Dystopie mehr, sondern bereits so konkret, dass sie in die Lebensplanung einfließt. Gut ausgebildete verlassen das Land und versprechen sich in der Fremde bessere Chancen auf die Zukunft. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges, denn auf jeden, der das tatsächlich tut, kommen mindestens zwei Dutzend Personen, die sich ernsthaft mit diesem Gedanken tragen. Und was werde ich den Kindern für ihre Ausbildung oder das Studium raten? Sicher zu einem Beruf, mit dem sie sich auch außerhalb Deutschlands ihre Brötchen verdienen können. Sich auf eine Zukunft in Deutschland zu verlassen, scheint mir höchst riskant.
Gerne hätte ich sie vor meinem Schicksal bewahrt, nämlich im Grunde keine Heimat zu haben. Ich wuchs in der DDR auf und wollte dort schon als Kind, dann in der Pubertät sowieso, nur weg. „Du hast eben das Vagabundenblut deines Großvaters in dir“, meinte mein Vater mal zu mir. Ich kann das nicht beurteilen, kennengelernt habe ich meinen Opa nie, der ist in Stalingrad geblieben. Doch dieser Spruch half mir ein wenig darüber hinweg, das Defizit einer nicht gefühlten Heimat zu überwinden: es ist vererbt, so bin ich eben. Wie so oft im täglichen Leben, genügt eine plausible Erklärung für ein Phänomen, um mit der Sache klarzukommen, obwohl sie, bei genauerer Betrachtung, einer Überprüfung vielleicht nicht stand hält. Es war nämlich, davon bin ich heute überzeugt, das Fehlen von Freiheit und Individualismus, was verhinderte, dass ich eine gefühlte Heimat bekam.
Wie oder was auch immer der Grund für mein nicht empfundenes Heimatgefühl in der DDR gewesen sein mag, der „Westen“, die westliche Lebensart, speziell die der Bundesrepublik, wurde dann doch so was wie ein Zuhause. Und jetzt spüre ich: mein Zuhause wird mir genommen.
Wenn Deutschland stirbt, was bedeutet es für mich? Nun, ich werde damit klarkommen, mein Vagabundenblut hilft mir wieder dabei, auch wenn das eine Selbstlüge ist. Aber ich hätte meinen Kindern gerne einen Platz gegeben, von dem sie sagen können: da gehöre ich hin. So aber sage ich ihnen: Geht raus in die Welt und sucht euch einen Platz, an dem ihr euer Zuhause bauen könnt!
Freilich könnte es auch anders kommen, Deutschland besinnt sich wieder und nimmt Abstand von seinen selbstzerstörerischen Tendenzen, es würde mich freuen. Doch im Grunde spüre ich, die Zeit ist vorbei.
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