Dieser Text erschien 2011 im Science-Skeptical-Blog unter dem Titel „Ethan und der Bürgerdialog“. Damals fiel mir auf, wie, mit undemokratischen Mitteln, in einem Bürgerdialog über die Energieversorgung des Landes versucht wurde, abweichende Meinungen und Einwände heraus zu zensieren. Wer also glaubt, die heutigen Löschorgien von unliebsamen Äußerungen oder Accounts, wie sie nun bei Facebook oder Twitter geschehen, hätte vorwiegend mit Trump zu tun, der täuscht sich.
Da der Science-Skeptical-Blog nicht mehr zu existieren scheint, hier noch mal der Text von damals im Original. Ich bin überzeugt, die Parallelen zu den heutigen Vorgängen in den Medien sind nicht zu übersehen, was den Verdacht nährt, dass sich nichts ändert, nichts geändert hat, dort wo zensiert wird, ist Intoleranz und Totalitarismus zu Hause. Die Zensur ist eine Signatur des Totalitarismus.
“Vielleicht wäre es ratsam, Ethan, du kastriertest dein Denken“. Diesen Rat Amenotep's wollte sich Ethan nicht annehmen. Es war der Anfang seines Scheiterns. Doch halt, mit wem haben wir es hier zu tun. Ethan hat es nicht wirklich gegeben, er ist die Hauptfigur in Stefan Heym's König David Bericht, einem Buch von dem ich hoffte, es würde nicht noch einmal in Deutschland so aktuell sein. Ethans Aufgabe war es, einen huldigenden Bericht über König David zu schreiben, da von ihm selbst keine Memoiren vorlagen. Auftraggeber war König Salomon, Davids Sohn, der seinen Vater in einem besonders günstigen Licht erscheinen lassen wollte. Dazu wurde eine hochrangige Kommission eingesetzt welche die Arbeiten überwachen und koordinieren sollte. Kurz und gut, Ethan fand Dinge heraus, die dem König Salomon nun so gar nicht passen konnte. Doch der Bericht lag nun vor, Ethan war gewissenhaft gewesen, also schwieg man ihn tot. Nichts sollte mehr an ihn erinnern. Die Wahrheit muss verschwiegen werden.
Ossis und Wessis haben dieses Buch ganz unterschiedlich verstanden. Der Ossi, gewohnt seine Meinung nicht frei äußern zu können, ebenso gewohnt von einer Jubelpresse nur gefilterte Nachrichten zu bekommen, erkannte sofort, dieses Buch sollte die Herrschenden der DDR und ihre nachgeordneten Erfüllungsgehilfen beschreiben. Wessis erkannten diesen Zusammenhang zwar auch, sahen aber eher einen historischen Roman, der die biblische Geschichte aufs Korn nimmt. Man kann beiden zustimmen, wenn man das Buch als solches betrachtet und die Vita des Autors außer acht lässt. Wenn man das nicht tut, den Autor, sein Werk und die Umstände betrachtet, dann bleibt nur die Sichtweise der Ossis übrig.
Nun haben wir wieder eine Kommission die einen Bericht über die Haltung der Bevölkerung zur Energiewende beschreiben soll, oder besser, die Meinungen der Menschen dazu, wie diese verwirklicht werden könne. Doch wie Ethan bei seinem Bericht, so steht der Kommentator hier auch vor der Herausforderung, das vieles was übermittelt wurde und wird, so gar nicht der Wirklichkeit entspricht. Mit Meinungsumfragen wird hantiert, den Orakeln der Moderne, schon in Delphi wurde Politik betrieben um die Zukunft zu eigenem Gunsten zu verändern; so lässt sich die Wahrheit nicht finden. Doch die vielen Tontäfelchen die Ethan fand und las, die Gespräche die er mit den Menschen führte, offenbarten ihm den wahren David. Und dieses Bild stimmte nun so ganz und gar nicht mit der offiziellen Linie überein. Das durfte nicht sein, die Kommission schrieb ihren eigenen Bericht, der Ethans wurde verschwiegen. Nein, ganz nicht, er war kein Held, er versuchte durch zu kommen und vielleicht das eine oder andere Fitzelchen seines Wissens im offiziellen Bericht unter zu bringen. Also machte er weiter, mit guter Miene zum bösen Spiel, um doch noch ein wenig von seinem Wissen weiter zu geben: "Mit einigem Glück und mit der Hilfe unseres Herrn Jahweh mochte es mir sogar gelingen, ein Wörtchen hier und eine Zeile dort in den König-David-Bericht einzufügen, aus denen spätere Generationen ersehen würden, was wirklich in diesen Jahren geschah und welch ein Mensch David, Jesses Sohn, gewesen."
Genau dies ist die Technik mit der unter diktatorischen Bedingungen auf die Beschneidung der Meinungsfreiheit reagiert wird. Die Veranstalter dieses Bürgerdialogs gebärden sich genau so wie die Kommission die den offiziellen König-David-Bericht schrieb. Auch sie ist von höchster Stelle beauftragt, immerhin einem Bundesministerium. Und ebenfalls dürfen Dinge nicht genannt werden, warum die Kernenergie eine glänzende Zukunft in diesem Land haben könnte, zum Beispiel. Doch gleich Ethan finden sich nun Kommentatoren ein, die in geschickten Worten der Zensur eine Nase drehen. Man muss nur ein wenig zwischen den Zeilen lesen können, wie das Ossis von klein auf gelernt haben. Ich habe nicht gedacht, dass dies in Deutschland schon wieder nötig ist.
Weblinks:
Projekt Historischer Roman
Peter Rusterholz: Stefan Heym - Der König David Bericht
Bürggerdialog
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