9. Juli 2021

Die Amis im Haus

Als meine Großmutter noch lebte, es ist also schon sehr lange her, erzählte sie von amerikanischen Soldaten, die in ihrem Haus übernachteten, zum Kriegsende, also 1945. Es war so eine kleine Doppelhaushälfte in einer Siedlung, wie sie vielfach in Deutschland der Dreißiger Jahre entstanden. Viel Platz gab es da nicht. Das meiner Großeltern lag in Südwest-Sachsen, bis hierher waren die Amerikaner gekommen. Sie konnte von den Soldaten eigentlich gar nichts berichten, schloss sich in einem Zimmer mit ihren drei damals noch kleinen Kindern ein, weil sie natürlich Angst hatte. Ihr Mann, mein Opa, war in Stalingrad vermisst, sie musste also allein klar kommen.



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Lange waren die Amis nicht dort, ein paar Tage vielleicht, ich kann mich nicht mehr an alle Details aus der Erzählung meiner Großmutter erinnern. Nur an eines, die Soldaten hätten nichts weggenommen, zerstört oder geklaut, und als sie gingen, ließen sie ein paar Kleinigkeiten wie Schokolade auf dem Tisch liegen. Offensichtlich haben die sich sehr korrekt verhalten, was man nun ja nicht von allen Besatzungssoldaten behaupten kann. Doch eben dieses kleine Detail, hat später mein Amerikabild maßgeblich beeinflusst, was noch sehr wichtig werden sollte, denn damit hatte die spätere kommunistische Indoktrination, der ich zwangsläufig in der DDR ausgesetzt war, keine Chance. Leute die ihre Macht nicht ausnutzen und sogar noch Schokolade verschenken, können nicht die Bösen oder Klassenfeinde sein, als die sie immer dargestellt wurden.

Und noch etwas prägte mich in diesen frühen Kindertagen: eine tiefe Abneigung gegenüber Politik, den Mächtigen und ihren Spielchen mit dem kleinen Mann, dem einfachen Mensch. Wir waren verraten worden. Eigentlich hätte ich im Westen aufwachsen müssen, schließlich waren die Amis bis zu uns gekommen. Doch die zogen sich zurück, gaben uns für West-Berlin preis. Die Aufteilung Deutschlands war ja schon lange vor Kriegsende beschlossen worden und wir gehörten eben den Kommunisten, wurden ihnen übereignet, das war so beschlossen worden.

Freilich erkannte ich später, wie wichtig Verträge und Abmachungen sind, dass diese eingehalten werden müssen, auch um nicht sofort in einen neuen Krieg zu schlittern, aber das Gefühl, nur ein Spielball der Mächtigen zu sein, hat mich seit den Kindertagen nicht mehr verlassen.

Nun, da ich die Sechzig auch schon überschritten habe, kommen mir solche alte Geschichten wieder in den Sinn und ich denke, ich sollte sie aufschreiben. Was ich damit sagen will, weiß ich selbst nicht, doch die Erzählung meiner Großmutter, über die Amis im Haus, hat mich geprägt, davon bin ich überzeugt, auch wenn sie nur aus wenigen Sätzen bestand. Es sind manchmal solche Kleinigkeiten, die ein Leben verändern.








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