21. Juni 2012

Die Wurzeln der Sonnenblumen

In letzter Zeit gingen Meldungen durch die Presselandschaft, wonach sich rechtsextreme Gruppierungen in der Ökoszene ausbreiten, oder rechtsextremes Gedankengut unter einem grünen Schafspelz verborgen, den Weg in die Mitte der Gesellschaft finden würde.⁽¹⁾ Immer wieder in diesem Zusammenhang wird die Zeitschrift Umwelt & Aktiv⁽²⁾ genannt. Der "Schriftleiter des Blatts," so die Süddeutsche Zeitung, war niederbayerischer NPD-Kandidat für die Landtagswahl 2008. Und in der Tat, bei Umwelt & Aktiv sieht man sich in der Tradition von Herbert Gruhl , Baldur Springmann und August Haußleiter.⁽³⁾ Allesamt konservative Naturschützer, die auch in der Anfangszeit der Grünen einen sehr großen Einfluss hatten, und für die Naturschutz nicht nur einfach Naturschutz war, sondern auch Heimatschutz. Fälschlicherweise wird dies dann automatisch mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht, selbst Jürgen Trittin stellte eine "sehr erhebliche ideologische Schnittmenge" zwischen Naturschutz und Nationalsozialismus fest und schlussfolgert: "Es gab eigentlich keinen Punkt, an dem Naturschutz und Nationalsozialismus ideologisch grundsätzlich unvereinbar waren."⁽⁴⁾

Dies ist bei den meisten Kommentatoren unstrittig, und doch falsch, weil der Ursprung des Naturschutzes weit vor dem Entstehen des Nationalsozialismus liegt. Die deutschen Faschisten haben die völkische Naturschutzbewegung nur einfach in ihr Weltbild eingegliedert. Diese wiederum hatte die von der Romantik beeinflusste Heimatschutzbewegung um den völkischen Gedanken erweitert⁽⁵⁾. Insgesamt kann man den deutschen Heimat- und Naturschutz als Gegenbewegung der Umwandlungsprozesse im 19. Jahrhundert betrachten. Schon damals beunruhigten Industrialisierung, Veränderte Landschaftsbilder und Urbanisierung, sowie Globalisierung, viele Menschen. Das Idealbild eines "unverdorbenen Landlebens" entstand, welches Ausstrahlung bis in die damalige zeitgenössische Kunst hatte⁽⁶⁾. Keinesfalls im Gegensatz dazu steht die aus Rudolf Steiners Anthroposophie hervorgehende Biologisch-Dynamische-Landwirtschaft, heute vor allem von der Demeter e.V. vertreten⁽⁷⁾, die nur deshalb heute nicht mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird, weil sie von der Mehrheit der NS-Führung abgelehnt wurde und anthroposophisches Denken "nicht biologisch-rassisch, sondern biologisch-kosmisch" sei.⁽⁸⁾ Dennoch hatte sie mit NS-Größen wie Rudolf Heß prominente Anhänger. Auf Abgrenzung waren aber die Nationalsozialisten bedacht, nicht die Anthroposophen.⁽⁹⁾

Als Zwischenfazit kann man also feststellen, dass die heutige rechtsextreme Variante der Umweltschutzbewegung nicht auf nationalsozialistischem Gedankengut beruht, sondern auf völkischen Vorstellungen, verbunden mit der Romantik, aus dem 19. Jahrhundert. Wenn wir heute die völkischen Vorstellungen mit Nationalsozialismus gleichsetzen, dann ist dies zwar nicht völlig falsch, doch ist diese Sichtweise stark verkürzt und lässt außer acht, was zuerst da war. Hätte es das NS-Regime und deren Verbrechen nicht gegeben, die völkische Bewegung des 19. und frühen 20. Jahrhundert würde heute wahrscheinlich als simpler rechter Patriotismus angesehen.⁽¹⁰⁾ Rechte Ökologisten sind nur dann dem Neonazi-Spektrum zuzuorden, wenn sie gleichzeitig rassistisch und antisemitisch sind.

Nach dem Krieg baute man einfach auf bestehende Gesetze auf und "Ähnlich wie in der deutschen Gesellschaft als Ganzes war der Umgang der Naturschützer mit ihrem Verhalten während der NS-Zeit von Verharmlosungen und Verdrängung geprägt.⁽¹¹⁾." Erst in den frühen siebziger Jahren begann sich eine neue Umweltschutzbewegung zu entwickeln, die nun nicht mehr völkisch genannt werden konnte, aber dennoch wesentliche Elemente aus den romantischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts übernahm, ebenso die Angst vor Industrialisierung, Globalisierung, Landschaftsveränderung und einiges mehr. Und auch der Begriff Heimat erlebte eine Renaissance in Form von regionaler Identität. Dieser unterschied sich von den völkischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts nur insofern, als dass der Begriff Rasse keine Rolle mehr spielte. "Die dem Nachhaltigkeitspostulat zugrundeliegende Idee, die ökonomische Entwicklung an die Berücksichtigung sozialer Belange und ökologischer Tragfähigkeit im Rahmen eines Gestaltungsauftrags zu koppeln, entspricht im Grundsatz dem Ansatz des frühen Heimatschutzes.⁽¹²⁾"

Wenn also heute davon gesprochen wird, dass die Umweltschutzbewegung von rechtsradikalem Gedankengut unterwandert wird, so wie anfangs dargestellt, so können wir nun feststellen, dass dies nicht stimmen kann, da der deutsche Heimat- und Naturschutz seine Wurzeln und Ausprägungen im konservativen Milieu hat und tendenziell eher politisch rechts einzuordnen ist. Die Grundüberzeugungen die einhergehen mit der Kritik an der modernen Gesellschaft, der Dekadenzkritik und der Angst vor der Beeinflussung von außen, hier vor allem in Form vor internationalen Konzernen, haben somit eine lange Tradition. Der rechte Umweltschutz ist urtraditionell und authentisch und versteckt sich nicht hinter einem ökologischem Zeitgeist, sondern war schon immer so.

Linke Umweltschützer reagieren auf solche Feststellungen sehr allergisch, und das verwundert nicht, teilen sie doch mit den Rechten das gleiche Überzeugungsportfolio. Gleich einem Häretiker der ungern auf die Wurzeln seines Glaubens angesprochen wird, und sich von diesen abzugrenzen versucht, meint der Mainstream der heutigen Ökologisten, den wahren Glauben gefunden zu haben. In Wirklichkeit ist es aber die Linksalternative Szene, die ursprünglich mit Umweltschutz nicht viel zu tun hatte, die sich das Thema Ökologismus gekapert hat, weil es sich so wunderschön mit Kapitalismuskritik verbinden lässt und als Grund dafür herhalten muss, die beabsichtigte Umgestaltung der Gesellschaft zu legitimieren. Mit Klassenkampfparolen erreicht man eben keine Massen mehr. Der Historiker Joachim Radkau meint gar, es ist "der Ökologismus weltweit als einzige ideologische Alternative zur absoluten Hegemonie des privaten Gewinn- und Konsumstrebens übrig geblieben.⁽¹³⁾" So gesehen ist auch klar, wer hier wirklich der Wolf im Schafpelz ist.

Den Grünen ist mit diesem Trick der Sprung bis in konservativste Bereiche der Gesellschaft gelungen. Ob Schützenverein, Heimatverein, Kirchchor, egal wo, Grüne und Ökologismusanhänger sind dabei. Die Verschmelzung ist deswegen nicht so schwer gefallen, weil es im Prinzip keine großen Differenzen gegeben hat. Solche Begriffe wie Heimat, regionale Identität, Globalisierungsangst beschreiben den Kitt der beide Gruppen verbindet. Die Umweltbewegung ist deshalb in Deutschland stärker als in anderen Ländern, weil es einen Zusammenfluss von Rechten und Linken, oder sagen wir besser, aus konservativen Gruppen und Neomarxisten gegeben hat.⁽¹⁴⁾



(Geringfügig veränderte Version dieses zuerst in Science Skeptical Blog erschienenen Artikels)

Verweise/Erläuterungen:

(1) SWR2 Forum: Wie braun ist Bio? - Rechtsextremismus in der Umweltbewegung. Sendung am 8. 5. 2012 mit Dr. Nils Franke, Historiker, Leipzig; Andreas Speit, Journalist, Hamburg; Dr. Frank Uekötter, Rachel Carson Center für Umwelt und Gesellschaft, München.
[SWR2 Forum: Wie braun ist Bio?]

Süddeutsche.de: Idylle in Grün-Braun. Artikel von Christian Thiele und Marlene Weiss vom 13.04.2012
[Süddeutsche.de]

Welt.de: Rechtsextreme entdecken das Thema Naturschutz. Artikel vom 07.02.2012
[Welt.de]

(2) Internetauftritt von Umwelt & Aktiv.
[Umwelt & Aktiv]

(3) Wikipedia:
[Herbert Gruhl] [August Haußleiter] [Baldur Springmann]

(4) J . Radkau u.a. (Hgg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Stefanie Hennecke, Bernd Schütze, Annette Voigt und Axel Zutz
[H-Soz-u-Kult]

(5) Die Heimatbewegung, auch Heimatschutzbewegung, war eine Bewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts, deren Ziel die Stärkung nationaler Identität war.
[Wikipedia: Heimatbewegung]

(6) Als Beispiel hier der "Säende Landmann," symbolisch für nationale Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, trotz der fortschreitenden Industrialisierung.
[BR Kunst und Krempel: Säender Landmann]

(7) Demeter Betriebe arbeiten biologisch-dynamisch, d. h. auf der Grundlage anthroposophischer Richtlinien.
[demeter.de: Über uns]

(8) In früheren Beiträgen verortete Zander die Entstehungsgeschichte der theosophisch-anthroposophischen Bewegung im Sammelsurium völkischer Sondergemeinschaften, wie sie sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum zu formieren und in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg zu konsolidieren begannen.
[Ralf Sonnenberg: Judentum, Zionismus und Antisemitismus aus der Sicht Rudolf Steiners]

(9) In der Septemberausgabe der Zeitschrift [Demeter] lag zudem ein Flugblatt bei, in dem der Herausgeber, Erhard Bartsch, die biologisch-dynamischen Landwirte zur Unterstützung des "Führers" aufrief. Bartsch bemühte sich offenbar sogar um eine Mitwirkung an den Besiedlungsplänen der SS für den "Lebensraum im Osten".
[AnthroWiki: Anthroposophie während des Nationalsozialismus]

(10) Ordnungen der Ungleichheit. Die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871-1945, Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Jens Hacke.
[H-Soz-u-Kult]

(11) Naturschützerische Zentralkonzepte wie "Natur", "Landschaft" oder "Heimat" waren durch ihre Verwendung in der Weltanschauung des Nationalsozialismus offenbar nicht im Urteil der Bevölkerung desavouiert worden. Im Gegenteil erfreuten sie sich aufgrund ihrer romantisch-heimeligen Konnotationen in der frühen Nachkriegszeit sogar besonderer Beliebtheit.
[Historisches Lexikon Bayerns: Natur- und Umweltschutz (nach 1945)]

(12) Die mögliche Renaissance des Heimatbegriffs ist sowohl durch die antidemokratischen, völkischen Tendenzen problematisch, die in der „Heimatschutzbewegung“ des 19. Jahrhunderts stark ausgeprägt waren, als auch durch die rassistische Interpretation der Begriffe von „Heimat“ und „Landschaft“ in der Zeit des Nationalsozialismus.
[Bundesamt für Naturschutz: Die Vilmer Thesen zu „Heimat“ und Naturschutz]

(13) Wie diese anderen Ideologien biete auch Ökologismus eine analytische Beschreibung der Gesellschaft, setze eine bestimmte wünschenswerte Form von Gesellschaft voraus und enthalte eine Programmatik für politisches Handeln.
[Wikipedia: Ökologismus]

(14) Dr. Frank Uekötter im SWR2 Forum: Wie braun ist Bio? - Rechtsextremismus in der Umweltbewegung (ab 21:29 min)
[SWR2 Forum: Wie braun ist Bio?]




Dieser Text ist im Buch Im Spannungsfeld |1 enthalten.

Paperback
280 Seiten
ISBN-13: 9783748112433
12,00 €
E-Book
ISBN-13: 9783748152767
7,99 €


2 Kommentare :

  1. Ich habe kürzlich in der "Politischen Ökologie" einen Artikel veröffentlicht mit sehr ähnlicher Tendenz. Wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen die Datei. - Am kommenden Donnerstag halte ich auf einer Tagung des Bundesverbands Beruflicher Naturschutz e. V. in Berlin zum Thema "Naturschutz und Rechtsextremismus" ein ähnliches Referat. Ludwig Trepl

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  2. Lieber Herr Trepl,

    vielen Dank, Ihr Artikel würde mich sehr interessieren. (oben rechts ist meine Email-Adresse, einfach Email klicken). Wenn ich gerade in Berlin wäre, würde ich zu Ihrem Vortrag kommen. Aber vielleicht gibt es den einen oder anderen Leser, auch auf anderen Blogs, der sich dafür interessiert. Adresse, Uhrzeit?

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