2. Februar 2013

Rudolf das Rentier wurde geschlachtet

Wenn es im Kinderzimmer ruhig ist, ist immer etwas faul. Länger als 30 Sekunden ruhig zu sein, schafft kaum ein Vorschulkind und die entsprechende Geräuschkulisse ist so etwas wie das Brummen eines Motors. Man kennt den Pegel und auch die Art der Geräusche und weiß ob alles im grünen Bereich ist. Nur wenn es richtig laut ist, oder ganz leise, ist irgendetwas meist nicht in Ordnung und zwingt die Eltern nachzuschauen warum diese anormale Zustand eingetreten ist.

Eine ungewöhnliche Stille ließ mich also neugierig werden und ich schaute ins Kinderzimmer. Dort hatten die Kleinen einen Laufstall zerlegt und die Gitterstäbe zu einem Kreis und einen Haufen zusammengelegt. Gut, der Laufstall stand nur noch so rum und wurde als Aufbewahrungsbox für allerlei Krimskrams benutzt. So wie ich meinen Dachboden benutze und Dinge dort ablege, bis sie dann doch irgendwann weggeschmissen werden. Es war also nicht schade um den Laufstall, er wurde eh nicht mehr gebraucht. Aber wozu wurde er zerlegt? Die Kinder wollten ein Lagerfeuer darstellen und als symbolische Holzscheite dienten die Gitterstäbe.

„Was macht ihr denn hier,“ wollte ich wissen.

„Wir haben Hunger und machen Essen“

Aha, jetzt sah ich es. Die Gitterstäbe sollten so etwas wie ein Lagerfeuer darstellen. Links und rechts daneben ein Stuhl, über die Stuhllehnen wieder ein paar Gitterstäbe, die offensichtlich einen Grill darstellten sollten. Auf dem Grill lag Rudolf das Rentier und noch zwei oder drei andere Plüschtiere. Die sollten gegrillt und verzehrt werden.

Für mich war damit alles in Ordnung und ich habe sie weiter spielen lassen. Doch einen Moment später stellte ich mir vor, wie ein derartiges Spiel wohl im Kindergarten bewertet werden würde? Tiere essen! Schlimmer noch, Tiere töten um sie zu essen, sind solche Vorstellungen bei Kindern nicht möglicherweise schon Verhaltensauffälligkeiten?

Nun kamen mir einige Eltern in den Sinn, solchen denen man unweigerlich auf Elternabenden begegnet und deren hochmoralischer Anspruch schon zu spüren ist, bevor sie den Mund aufmachen. Thilo Spahl schreibt über den Aufstieg des Vegetarismus zum allgemeinen Stilvorbild und meint:
Vor dem Hintergrund dieser neuen Naturverehrung ist der gute alte Tierschutz politisiert worden. Es geht nicht mehr nur um das Wohl des Tieres, es geht nun auch darum, den Menschen in die Grenzen zu weisen.
Phantasievolles Spielen werde ich nicht in Grenzen legen, auch wenn dabei ein Laufstall zerstört worden ist, oder Rudolf das Rentier gegessen wird.
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