Claus Leggewie hatte sich als Mitglied im WBGU für die Berufung von Schellnhuber eingesetzt und einer
Antwort auf Dirk Maxeiner auch deutlich hervorgehoben, dass die „
Große Transformation“ keine Ökodiktatur zum Ziel hat. Soweit so gut, oder so schlecht, wie man will. Um so erstaunter war ich aber, als ich nun in
NOVO ARGUMENTE einen Beitrag von Leggewie lesen konnte, in dem es vorrangig um den Verfassungsschutz geht, was man aber mit nicht sehr großer Phantasie auf andere, angestrebte, Institutionen anwenden kann.
So kam denn Erhard Denninger in dem von ihm herausgegebenen, materialreichen Band „Freiheitliche demokratische Grundordnung“ zu dem Resümee: „Auch künftig wird nicht etwa die fdGO-Formel die Praxis steuern, sondern umgekehrt werden die aktuellen Bedürfnisse der politischen Ausgrenzungspraxis den Inhalt der juristischen Formel füllen.“ [8]
Der ganze Streit um den Inhalt der Formel geht, analytisch betrachtet, am eigentlichen Problem vorbei. Mit Hilfe der fdGO-Formel lässt sich Verfassungsfeindschaft rein inhaltlich bestimmen, und zwar als „Verstoß“ gegen bestimmte Prinzipien der Verfassung. Außerdem ermöglicht es diese Formel, siehe Grundrechteverwirkung und Parteiverbot, den an sich völlig legalen Gebrauch der Grundrechte in deren „Missbrauch“ umzudeuten. So wird unter Berufung auf eine höhere Legitimität der Grundordnung die „bloße“ Legalität sogenannter Extremisten in Frage gestellt und entwertet.
Wie bringt das Leggewie zusammen mit der Großen Transformation? Die große Transformation hat ja auch eine neue „Grundordnung“ zum Ziel: Das Nachhaltigkeitspostulat. Es soll eine Wertekonsens geschaffen werden, der sicherstellt, dass gesellschaftliche Partizipation nicht zu weniger Nachhaltigkeit führt (WBGU-Gutachten S.218). Damit wird aber die fdGO-Formel umgedeutet und mit einem neuen Inhalt versehen, der nicht mehr „freiheitlich-demokratisch“ genannt werden kann. Somit ist bereits das Nachhaltigkeitspostulat ein Angriff auf Sinn und Inhalt der fdGO-Formel. Es geschieht also genau jenes was Leggewie dem Verfassungsschutz und der Politik vorwirft. Nochmal das Zitat von Denninger:
„Auch künftig wird nicht etwa die fdGO-Formel die Praxis steuern, sondern umgekehrt werden die aktuellen Bedürfnisse der politischen Ausgrenzungspraxis den Inhalt der juristischen Formel füllen.“
Wenn ein Rat der Nachhaltigkeit, oder wie auch immer man eine entsprechende Institution nennt, über die gesellschaftliche Grundordnung wacht, deren oberstes Ziel die Nachhaltigkeit ist, dann ist dies keinesfalls kompatibel mit „freiheitlich-demokratisch“. Extremisten wären in diesem Fall bereits diejenigen die ein Diktat der Nachhaltigkeit ablehnen. Wenn Leggewie also die fdGO-Formel ablehnt, auch weil sie zu Missbrauch einlädt, so ist konsequenterweise eine Nachhaltigkeitsformel ebenso abzulehnen. Ich kann den Ausführungen Leggewies zum Verfassungsschutz durchaus einige Sympathie entgegenbringen, bin aber verwundert, dass diese Grundüberlegungen zur Demokratie keinen Eingang in das WBGU-Gutachten gefunden haben. Das Nachaltigkeitspostulat ist die neue fdGo-Formel, die zwar dem Namen nach weiter existiert, aber letztlich nur den politischen Ausgrenzungsbedürfnissen untergeordnet wird. Wer das Nachhaltigkeitspostulat als Quatsch betrachtet, wofür es viele gute Gründe gibt, wird somit zum Extremisten erklärt.
Insofern würde ich auch für eine Abschaffung des Verfassungsschutz plädieren, schon aus dem Grund heraus, dass niemand auf die Idee kommt, die fdGO-Formel durch eine Nachhaltigkeitsformel zu ersetzen und mit juristischen Inhalt zu füllen, und somit dem Verfassungschutz, oder einer neuen entsprechenden internationalen Institution, neue Aufgaben zuzuweisen. Die Bedürfnisse der politischen Ausgrenzungspraxis könnten dazu verleiten, dass derartiges geschieht.
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