„Michael Klonovsky, der zu den Erstunterzeichnern der Gemeinsamen Erklärung gehört, kündigte an, man werde die Initiative in einen eingetragenen Verein umwandeln.“ So war zu lesen.
Wenn das so kommt, und man mich lässt, dann werde ich diesem Verein beitreten. Es wird dann der erste politische Verein sein, dessen Mitglied ich bin. Selbst in der DDR hielt ich mich aus allen möglichen Organisationen raus. Ob FDJ, ob Gewerkschaft, Parteien sowieso, selbst der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft habe ich die kalte Schulter gezeigt.
Das gleiche später in Bundesrepublik: Kein politischer Verein, keine Partei oder sonstige Organisationen wie verschiedene NGO, konnte mich dazu bewegen, Mitglied zu werden. Selbst aus der Kirche bin ich ausgetreten. Schon die Bezeichnung Mitglied löst in mir heftige Reaktionen aus, es hört sich so nach Mitläufer an, nach jemanden, der sich in einen Zug einreiht und dabei seine Unabhängigkeit aufgibt, um den Rufen einer Masse zu folgen. Treten Sie ins Glied, Sie Mitglied!
Bei einem Verein, der aus einer so amorphen Bewegung wie die der „Gemeinsamen Erklärung2018“ hervorgeht, sieht es allerdings anders aus. Die Erstunterzeichner sowieso, die späteren sicher nicht weniger, scheinen mir unverbesserliche Individualisten zu sein, die sich nicht zusammengefunden haben um dem Bedürfnis nach Gemeinsamkeit, mit gleichzeitig Entwicklung einer gemeinsamen Identität, nachzukommen, sondern aus der Notwendigkeit heraus, die Kräfte zu bündeln.
Gegen so einen Schritt habe ich mich immer gesträubt, es geschieht ein Übergang: die Abkehr vom Betrachterischen hin zur Formulierung von politischen Zielen, von der Beobachtung zum Kampf. Nicht dass ich ein Feigling wäre, ich habe mein ganzes Leben lang gekämpft, aber immer nur für mich und meine Familie, habe mir im persönlichen Umfeld die Freiräume gesucht und geschaffen, die ich als Individuum brauchte. Wenn dies örtlich nicht möglich war, wie in der DDR, dann wurde der Ort gewechselt. Um den Ort, also die Heimat, habe ich nie gekämpft, schuf mir dann eben lieber in der Fremde ein Zuhause.
Vielleicht war das ein Fehler, mein Hochmut denjenigen gegenüber, die ihre eigene Individualität an der Identität der Heimat fest machten, die zuerst an einen geschützten Raum denken, eben den der Heimat, und erst danach, was ihnen als Individuum im geschützten Raum möglich ist. Den kollektiv geschützten Raum Heimat schien ich nicht nötig gehabt zu haben, hatte immer Angst, dass eben dieses Kollektiv der Heimatbesoffenen, so empfand ich sie, nach mir greift.
Was hat denn die »Gemeinsame Erklärung« mit Heimat zu tun, wird sich vielleicht der eine oder andere fragen? Erst mal nichts, denn es ist doch nur die Rede vom Recht, das wieder gelten soll. Doch das Recht entsteht nicht aus dem Nichts, es hat einen kulturellen Nährboden, von dem es lebt, Kultur und Heimat sind die Wesentlichen. „Kultur ist Bestandteil der Vererbungsdynamik von Regeleinstellungen“, wird gerne Heiner Mühlmann zitiert. Und nur vor diesem Hintergrund sind die heftigen Gegenreaktionen verständlich, die weit ausholenden Interpretationsversuche, warum denn diese Gemeinsame Erklärung so sicher eine ganz böse rechte Sache sei.
Getroffene Hunde bellen, heißt es sprichwörtlich. Die Gegner der Erklärung fühlen sich bei ihrem Vorhaben ertappt, eine Kulturveränderung über geschaffene Tatsachen herbeizuführen, deren Ziel es ist, den Nationalstaat zu schwächen, zumindest ihm eine neue, zumeist technisch anmutende Beschreibung zu geben. Dazu musste das bestehende Recht, die bestehenden Regeln, gebrochen werden. Die Gelegenheit dazu war günstig und nun geht es darum, dieses begangene Unrecht in Recht umzudeuten und nachträglich zu legitimieren. Denn nicht in demokratischen Verfahren, in Debatten und Diskursen, sollte eine Veränderung der Heimat und des Rechts geschehen, sondern durch die Schaffung von Tatsachen.
Genau in dieses Vorhaben, der willkürlichen Veränderung von Recht und Kultur, grätscht nun die Gemeinsame Erklärung hinein und legt den Finger auf die Wunde.
Wenn derartiges Verhalten, die Schaffung von Tatsachen an Recht und bestehender Kultur vorbei, Schule macht und unkorrigiert bleibt, dann können wir nicht mehr von einem Rechtsstaat sprechen.
Ja, es scheint mir nun der Zeitpunkt gekommen, mir meine Verwandlung einzugestehen und zuzugeben, dass ich mir meine Freiräume unter solchen Umständen nicht mehr allein erkämpfen kann, und dass ich nun, wie ehemals in der DDR, vor der Wahl stehe: auswandern oder kämpfen. So werde ich wohl Mitglied in einem politischen Verein werden, was für andere vielleicht keine große Sache ist, für mich aber eine Verwandlung bedeutet, weil offensichtlich wurde, dass meine kompromisslose Individualität an ihre Grenzen gelangt ist.
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