23. Januar 2013

Die Enquete und das Nichtprofitprinzip in der Wirtschaft

Die Projektgruppe 1 (PG1) der Enquete-Kommission des Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebenqualität“ konnte sich nicht auf einen einheitlichen Bericht einigen, über weite Strecken haben die nicht einmal miteinander diskutiert, weil schon recht bald klar war, sie kommen auf keinen gemeinsamen Zweig.⁽¹⁾ Die Aufgabe der PG1 war, herauszufinden, welchen Stellenwert Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft hat. Doch schon die Definition des Begriffs Wachstum bereitete erhebliche Schwierigkeiten, von weiteren Problem, wie zum Beispiel die Darstellung von Wachstum in geeigneten Indikatoren mal abgesehen. Die Frontlinie verlief recht eindeutig zwischen der Opposition (SPD, Grüne, Linke) und der Regierung (CDU/CSU, FDP) und so kam es, dass die beiden Gruppen jeweils einen eigenen Bericht zur Abstimmung vorlegten, welcher von beiden Grundlage für die weiteren Beratungen der Enquete werden sollte.⁽²⁾⁽³⁾ Der der Koalition wurde mit knapper Mehrheit angenommen, doch das ist eigentlich nebensächlich.


Zwei Begriffe erhitzten die Gemüter der Anwesenden. Zum einen mokierte sich die Opposition darüber, dass ihnen unterstellt werde, ihre angestrebt sozial-ökologische Transformation laufe auf eine Planwirtschaft hinaus, und zum andern wehrte sich die Regierungsfraktion dagegen, Wachstum sei ein Ziel der Politik. Wenn die Vertreter der Opposition den Bericht der Regierung gelesen hätte, was sie offensichtlich nicht taten, dann hätten sie sich das Argument verkneifen können. Denn da steht sehr deutlich, schon in der Einleitung:
„Das zentrale Politikziel ist also der Wohlstand aller Mitglieder der Bevölkerung. Wirtschaftliches Wachstum dagegen ist kein Politikziel. Es ist vielmehr ein guter – wenn auch unvollkommener – Indikator dafür, wie sich die wirtschaftliche Situation und damit der materielle Wohlstand der Arbeitnehmer und Unternehmer im Durchschnitt verändern.“
Andersherum lässt sich der Vorwurf einer angestrebten Planwirtschaft nicht so leicht entkräften, denn, die sozial-ökologische Transformation läuft tatsächlich auf eine solche hinaus, wenngleich nicht mit einem solch zentralistischen Charakter wie es die im ehemaligen Ostblock war.

Wenn nun aber Planwirtschaft nicht der passende Begriff für die angestrebte Transformation sein sollte, dann stellt sich die Frage, welche Wirtschaftsform ist es denn dann? Marktwirtschaft kann es nicht sein, jedenfalls nicht, wenn man den Ausführungen von Frau Bulmahn (SPD) folgt.⁽⁴⁾ Sie, und nicht nur sie, geht davon aus, dass wir zurzeit Krisen erleben - Finanzkrise, Umverteilungskrise, Klima- und Umweltkrise - die nicht nur ein Betriebsunfall der Marktwirtschaft sind, sondern schwerwiegende tiefere Ursachen haben. Diesen Krisen könne man nur durch eine grundsätzliche Veränderung unserer Wirtschaft begegnen, in der die „Kriterien und die Zielsetzung der Nachhaltigkeit bei jedem wirtschaftlichen Handeln wirklich Priorität haben.“ Ulrich Brand⁽⁵⁾ setzt da noch eines drauf und meint:
Es geht dann eben nicht um primär kapitalistisch getriebene Innovation, es geht auch nicht um die Dominanz von Profitprinzipien, [...]. Es geht um mehr, es geht eben um eine Gesellschaft in der Nichtprofitprinzipien [...] dominieren.
Es finden sich noch eine Reihe ähnlich lautender Aussagen in den Statements der Vertreter der Opposition, alles nachzusehen in dem Videomitschnitt dieser Sitzung.⁽⁶⁾ Über Umweltprobleme wurde auch gesprochen, doch dominierend war die Kapitalismuskritik; Kapitalismus wurde als die eigentliche Ursache der Krisen ausgemacht. Dies hat bei der Linken eine lange Tradition und hier ist es sehr hilfreich zu betrachten, wie die Linken in den 70iger Jahren unter anderem auf die Medienwirkung von Meadows „Limits to Growth“ reagierte. Die fanden das nämlich gar nicht lustig, dass auf einmal Umweltprobleme in den Vordergrund traten und Klassenkampf und das richtige, linke, Bewusstsein in den Medien und in den Diskussionen immer mehr verdrängt wurde.⁽⁷⁾ Man sah hinter der Auseinandersetzung um die Umweltkrise und in der Umweltkrise selbst strukturelle Gesetzmäßigkeiten kapitalistischer Produktion“ , wie sie auf einer bestimmten Stufe der Produktionsentwicklung auftraten.⁽⁸⁾ Das ist genau die Argumentationsschiene der Opposition in der PG1 dieser Enquete. Nur vordergründig sind die Linken auf den Ökologismuszug aufgesprungen, im Kern geht es ihnen nach wie vor um Kapitalismuskritik.

Wachstum haben die Linken noch nie abgelehnt, oder gar an die Grenzen des Wachstums geglaubt, sie machen da nur mit, weil sich Ökologismus so wunderschön mit Kapitalismuskritik verbinden lässt.⁽⁹⁾ Erkannt hat dies wohl auch Meinhard Miegel, der seine Zustimmung sowohl zum Regierungs- als auch zu Oppositionsbericht verweigerte, und sich in beiden Fällen der Stimme enthielt.⁽¹⁰⁾ Er meinte, spätestens auf Seite drei erkennt man aus welcher gedanklichen Richtung die Berichte kommen, die insgesamt zu sehr Interessen geleitet und zu wenig Erkenntnis geleitet seien. Aus seiner Sicht natürlich, und so lasse ich das auch unkommentiert stehen, weil die Antworten darauf viel interessanter sind. Ulrich Brand meinte dazu:
Natürlich sind wir wissenschaftlich Erkenntnis geleitet, aber unsere Arbeit hat einen normativen Aspekt. [...] Normativität ist aus meiner Sicht Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit.
Diese Aussage Bands ist von großer Bedeutung wenn man den wissenschaftlichen Gehalt seiner Ausführungen bewerten will. Wissenschaftler deren Arbeit darauf zielt, neue Normen zu schaffen, ordnen die Erkenntnisse einem scheinbar höheren ideellen Wert unter, hier Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Leider ein weit verbreitetes Verhalten derzeit und vor allem in der Klimadebatte zu beobachten.

Und so wie sich die Wissenschaft einer Normativität der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit unterordnet, so soll dies auch in der Wirtschaft geschehen. Da ist dann auch schon mal von der Demokratisierung der Wirtschaft die Rede. Ohne natürlich genau zu erklären, was darunter zu verstehen ist. Doch man braucht wohl nicht viel Phantasie um sich vorstellen zu können was gemeint ist: Alte linke Träume von Verstaatlichung, die als solche nicht so genannt wird, aber dennoch Unternehmer zu Marionetten einer neuen Normativität machen, da, unter anderem, Nichtprofitprinzipien dominieren sollen. Nein, es stimmt, Planwirtschaft ist das nicht, es ist schlimmer als das.

Nun, dieser Bericht der Opposition ist nicht angenommen worden, bleibt aber als Minderheitenvotum bestehen. Und, da sich die Enquete nicht auf eine gemeinsame Stellungnahme einigen kann, verschwindet das Papier sowieso in den Schubladen und bleibt ohne Wirkung auf die Politik. Dennoch ist die Arbeit dort nicht ganz umsonst, öffnet die Enquete doch die Augen dahingehend, dass nun klar ist um was es den Akteuren in Wirklichkeit geht. Die angestrebte „sozial-ökologische Transformation“ der Gesellschaft ist im Wesentlichen nur ein Aufguss alter linker Ideen, die nun im Mantel neuer Normen verkauft werden.


Verweise | Erläuterungen:

(1) Die Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" soll den Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft ermitteln, einen ganzheitlichen Wohlstands- und Fortschrittsindikator entwickeln und die Möglichkeiten und Grenzen der Entkopplung von Wachstum, Ressourcenverbrauch und technischem Fortschritt ausloten.
[bundestag.de: Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität]

(2)Projektgruppe 1: Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft – Berichtsentwurf der Koalitionsfraktionen.
[bundestag.de: Berichtsentwurf der Regierung (pdf|2.9MB)]

(3) Projektgruppe 1: Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft – Bericht der Fraktionen SPD, Die Linke., Bündnis 90/Die Grünen.
[bundestag.de: Berichtsentwurf der Opposition (pdf|1,9MB)]

(4) Mitglied der SPD seit 1969; Mitglied des Parteivorstandes der SPD seit 1993, Landesvorsitzende der SPD Niedersachsen 1998 bis 2003, Vorsitzende des Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie, Mitglied des Parteivorstandes der SPD.
[bundestag.de: Edelgard Bulmahn]

(5) Politisch aktiv ist er seit den 1990er Jahren in der Internationalismus- und Ökologiebewegung, insbesondere in der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO). Ab 2002 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac-Deutschland, den er fünf Jahre lang koordinierte. Er nahm zwischen 2001 und 2011 sieben Mal am Weltsozialforum teil.
[bundestag.de: Prof. Dr. Ulrich Brand]

(6) Beratung und Beschluss über den Berichtsbeitrag der Projektgruppe 1. Video dieser Sitzung auf der Seite.
[bundestag.de: 26. Sitzung am 14. Januar 2013]

(7) Aus einem Flugblatt von konkret‘ ging hervor, dass sich linke Kreise in der Bundesrepublik gegenüber dem Club of Rome‘ mehr als kritisch äußerten. Kupper geht in seinen Betrachtungen uber den Club of Rome‘ in der Hauptsache von Hans Magnus Enzensbergers Kursbuch und den darin enthaltenen Ausf ̈hrungen des Schriftstellers und Intellektuellen aus . Der folgende Abschnitt bestimmt die Positionen der marxistisch geprägten Linken in der Bundesrepublik. Nach Rolf Peter Sieferle beschäftigte sich die bundesdeutsche Linke zu Beginn der 1970er Jahre hauptsächlich mit Themen wie Imperialismus und Klassenanalyse.
[Friedemann Hahn: Von Unsinn bis Untergang: Rezeption des Club of Rome und der Grenzen des Wachstums in der Bundesrepublik der frühen 1970er Jahre (pdf|1,1MB)]

⁽⁸⁾ Zitiert aus (7), hier Seite 126. (Volker Ronge, Umwelt und Umweltschutz im Spätkapitalismus, S. 832.)

(9)Mit Klassenkampfparolen erreicht man eben keine Massen mehr. Der Historiker Joachim Radkau meint gar, es ist "der Ökologismus weltweit als einzige ideologische Alternative zur absoluten Hegemonie des privaten Gewinn- und Konsumstrebens übrig geblieben.
[Glitzerwasser: Die Wurzeln der Sonnenblumen]

(10) Das Wachstum der Wirtschaft ist zur Ersatzreligion unserer Gesellschaft geworden. Vielen gilt es als Voraussetzung für Wohlstand, persönliches Glück und ein funktionierendes Gemeinwesen. Doch was ist, wenn es kein Wachstum mehr gibt? Was kann, was sollte an seine Stelle treten, um uns ein erfülltes Leben zu ermöglichen? Auf diese drängenden Fragen gibt Meinhard Miegel, einer der renommiertesten Sozialwissenschaftler Deutschlands, profunde Antworten.
[amazon.de: Exit: Wohlstand ohne Wachstum]

1 Kommentar :

  1. Tatsächlich wirkt der Markt (marktwirtschaftlicher Wettbewerb) nie ausbeuterisch, sondern ganz im Gegenteil immer ausgleichend. Ausbeutung entsteht aufgrund der Einschränkung des Wettbewerbs durch den Privatkapitalismus (Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz) und in verstärktem Maß durch die Abschaffung des Wettbewerbs in einer sozialistischen Planwirtschaft (Staatskapitalismus).

    Zur Verwirklichung des vollen Arbeitsertrages bei einem Maximum an persönlicher Freiheit bedarf es keiner Gewalt, sondern der Intelligenz:

    Geldtheorie

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