9. Dezember 2013

Mehr Populismus bitte

Den Eurokritiker Peter Gauweiler als Parteivize wählen lassen, die Maut für Ausländer in den Koalitionsvertrag geboxt: Horst Seehofer macht vor wie Stimmungen von einer Volkspartei absorbiert werden können und damit verhindert wird, dass kleine Parteien an den Rändern zu groß werden. Wenn man nun dem Seehofer Populismus vorwirft, tut man sicher recht, doch nur durch Populismus lassen sich Volksparteien überhaupt am Leben erhalten. Ein guter Populist ist auch ein guter Meinungsforscher und wenn er noch dazu ein guter Politiker ist, versteht er auch, wenn es an der Zeit ist Stimmungen aufzugreifen, weil sie sonst sich zu verselbstständigen drohen. Die Kunst dabei ist, nicht schon auf solche Stimmungen zu regieren, die wieder von allein verschwinden, oder nicht genug Rückhalt in der Bevölkerung haben, weil ansonst man diese Stimmungen erst populär macht. Von Seehofer darf man annehmen, dass er diese Kunst der Unterscheidung beherrscht.

Und nicht nur er, beim Internationalem Frühschoppen äußerte der niederländische Journalist Merlijn Schoonenboom, dass dies geradezu eine Tradition von CDU/CSU Politikern wäre
Merkel weiß genau, der Moment wenn sie sagt, ok, jetzt muss ich etwas mehr euroskeptischer sagen.
So hatte Frau Merkel beispielsweise angekündigt, dass man in einigen Bereichen auch wieder Kompetenzen aus Europa wieder in die Nationalstaaten zurückholen müsse. Was konkret allerdings damit gemeint ist, da blieb die Kanzlerin gewohnt undeutlich. Merkels Populismus ist nicht so auffällig wie der des Herrn Seehofer, doch nicht minder wirkungsvoll. Allerdings steht sie nun vor einem Dilemma, ihr Populismus in der Vergangenheit hindert sie nun daran, auf Entwicklungen in Europa, wo es zu einer dramatischen Erstarkung der Eurokritiker gekommen ist, nicht nur in Frankreich wie die Schilderungen im Internationalem Frühschoppen deutlich machen, angemessen zu reagieren. Mit ihrer Annäherung an die Sozialdemokraten und die Grünen, die ja auch aus populistischen Gründen erfolgt ist, hat sie eine Richtung eingeschlagen, die es ihr nun nicht mehr erlaubt auf diese europäische Entwicklung zu antworten.

Ebenfalls Marlijn Schoonenboom meinte im Internationalem Frühschoppen, dass die Holländer nun mehr und mehr die Frage nach der eigenen Kultur und der eigenen Identität stellen, und dass diese Fragen durch Brüssel noch verstärkt würden. Ein eigentlich banaler Anlass, die von dort heran getragene Frage, ob denn nun der schwarze Nikolaus rassistisch sei, erhitzte die Gemüter. Dies hat nichts mit der Kritik an der allgemeinen Brüsseler Regulierungswut zu tun, von der auch Angela Merkel meinte, dass diese zurück gefahren werden müsse, sondern betrifft das eigene Selbstverständnis, die eigene Identität. Diese Fragen sind in ganz Europa virulent, nur in Deutschland noch nicht an der Oberfläche wahr zu nehmen, weil hier die Frage nach der eigenen Identität durch die zwiespältige Vergangenheit der Deutschen immer eine ist, in die Selbstvorwürfe einfließen.

Doch unterschwellig wird diese Frage gestellt, und dass sie auch wichtig für die Politik ist, zeigt die populistische Forderung nach einer Maut für Ausländer. Momentan gelingt es noch mit solchen symbolischen Handlungen Stimmungen einzufangen und zu kanalisieren, dass aber auch nur, weil Seehofer die entsprechende Bewegungsfreiheit hat. Angela Merkel hat die nicht mehr. Durch ihre Umarmung der SPD und vielleicht auch bald der Grünen, zumindest der grünen Themen, hat sie nun alle Hände voll zu tun, deren Populismus den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei die eigenen Reihen nicht zu vernachlässigen gelingt ihr immer weniger, ein nun verfasstes Manifest von 50jüngeren CDU-Politikern, durchaus nicht alles Hinterbänkler, ist schon mehr als ein Werkruf.

Gerade aus dem Wirtschaftsflügel der Union, von der FDP und der AfD sowieso, hört man nun immer häufiger einen Namen: Ludwig Erhard, dem sogenannten Vater des Wirtschaftswunders. Auch das ist Populismus, weil gerade mit Erhard die neue deutsche Identität verknüpft wird, eine die nicht mit den Verbrechen der Vergangenheit in Verbindung gebracht wird, sondern für das Gute steht. Die fleißigen Deutschen, die anpacken und aus einer Trümmerlandschaft wieder eine blühendes Land gemacht haben. Wieviel davon Mythos ist spielt keine Rolle, den Menschen gefällt dieses identitätsstiftendes Narrativ so gut, dass sogar die Sozialdemokraten sich bei sich bietenden Gelegenheiten auf Ludwig Erhard berufen.

Wenn nun die Suche nach neuen nationalen, oder regionalen Identitäten, so wie es derzeit fast überall in Europa zu sehen ist, auch Deutschland erreicht, wird der Mythos um Ludwig Erhard eine große Rolle in der Selbstbeschreibung bekommen. Damit verknüpft sind Vorstellungen über Währungsstabilität, wirtschaftliche Selbstbestimmung bis hin zum Dualen Ausbildungssystem. Das wollen wir so haben, weil es unsere Identität betrifft, was im Umkehrschluss bedeutet, dass jegliche Regelung die diese Punkte betreffen, ein Angriff auf die Identität der Deutschen ist. Frau Merkel hat diesen Spieß umgedreht, und meint nun, in typisch populistischer Weise, dass Europa von Deutschland lernen muss. Und das ist genau die Germanisierung Europas, vor der vor allem die Südländer sich in ihrer kulturellen Identität bedroht sehen und ist ein Dilemma aus dem es momentan keinen Ausweg gibt. Entweder die Deutschen verzichten auf Teile ihrer nationalen Identität, oder die andern, sprich Südländer, tun das. Die europäische Einigung ist zum Kulturkampf verkommen.

Volksparteien müssen populistisch sein, um Stimmungen und Gefühle einfangen zu können, und wenn die Globalisierung, also nicht nur die europäische Einigung, dazu führt, dass sich die Menschen mehr auf die Suche nach ihren eigenen regionalen oder nationalen Wurzeln begeben, Weltbürger sind ja nicht mal die die das von sich behaupten, dann müssen eben diese Volksparteien dies aufgreifen. Wenn sie das nicht tun, sich sozusagen als Europapartei oder als Weltpartei darstellen, werden sie eine Partei von Eliten werden, um es positiv auszudrücken, oder eine von Utopisten, weniger freundlich gesagt.

Wenn Politiker die einen liberalen, oder besser, einen humanistischen Wertekompass haben und sich des Populismus bedienen, dann ist das ein Glücksfall für die Gesellschaft, weshalb es auch wichtig ist, sich die Politiker genauer anzuschauen, wo denn deren Wertekompass hin zeigt, auch jenseits von allen Programmen und Statuten, die letztlich nur bedrucktes Papier sind. Herauszufinden welche Werte uns in Europa einen ist Aufgabe von Humanisten und Populisten gleichermaßen. Über die Kopfgeburten der Utopisten wird die Geschichte hinweg gehen, hat sie schon immer getan.

Ergänzend zum Thema:
Der Wald, die Deutschen und die DMark
Europa, der Friedensnobelpreis und Lessings Bogen
Postnationales Europa oder Liberaler Internationalismus

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