13. März 2014

Putin, Deutschland und die EU

In einem sehr interessanten Dialog in der Phönix Sendung „Unter den Linden“ zwischen John C. Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, und Egon Bahr, fallen ganz am Schluss einige Sätze, die wenn sie stimmen, eine enorme Auswirkung auf Europa haben werden. Eigentlich ging es ja um Russland, die Krise um die Ukraine und wie die Welt, nicht nur Europa, darauf reagieren soll. Einig waren sich die Diskutanten, dass weder Europa noch die Amerikaner militärisch auf die Provokationen, vielleicht auch Annexionen, Russlands antworten werden. Wenn man Kornblum folgt, isoliert Putin sich nicht nur politisch, international gesehen, sondern vor allem wirtschaftlich. Russland ist marode, zu einem Rohstofflieferanten degradiert, müsste dringend investieren in Infrastruktur, Forschung, Entwicklung und in die Industrie, hat aber dazu keine Möglichkeiten, weil nun nicht nur internationale Investoren weg bleiben, sondern auch noch massiv russisches Kapital abwandert. Das wird das Land auf Dauer nicht aushalten, und es braucht Partner. Vor allem Deutschland, weswegen nun auch in Berlin die Drähte glühen.

Was die EU will, obwohl die an dem Konflikt in der Ukraine ja als nicht ganz unschuldig dargestellt wird - ob das so ist, erscheint allerdings immer mehr fraglich - was also die EU will, interessiert weder Putin, noch sonst irgendjemand. Deutschland und die USA sind die Player deren Stimme Gewicht haben, da eine militärische Option ohnehin undenkbar scheint. Und dies hat eben vor allem wirtschaftliche Gründe und mit der maroden Wirtschaft Russlands zu tun. Wie wenig die EU international beachtet wird, ist an den Ausführungen Kornblums deutlich zu sehen. Er beruft sich dabei unter anderem auf eine Rede Obamas in Deutschland, die zu einer Zeit gehalten wurde, als es den Konflikt mit der Ukraine noch nicht gab, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Doch schauen wir erst einmal an, wie Kornblum Deutschlands Rolle momentan einschätzt:
Deutschland hat unheimlich an Respekt gewonnen, über die letzten Jahre. [...] Und dass Deutschland das nur in Harmonie mit Partner macht, macht Deutschland natürlich stärker. Und wenn Sie jetzt sehen, wo die Telefonanrufe gelaufen sind, in letzter Zeit, die landen alle in Berlin. Die Bundesrepublik ist für Europa die Tonangebende. Und das sie so zurückhaltend sind, und dass sie auch so partnerschaftlich sind, macht es stärker.

Obama war jetzt hier draußen, im Juni, und hat eine Rede gehalten, die kaum einer hier verstanden hat, wenn ich das so sagen darf. In dieser Rede hat er gesagt, Deutschland ist unser Partner, wir wollen eine ganz breit gefächerte Agenda mit Deutschland machen, und zusammen mit Deutschland werden wir die Zukunft gestalten. Das hat viele Deutsche etwas beunruhigt, weil in er dieser Rede kein einziges Mal die EU erwähnt. [...] Aber, was das bedeutet ist, dass auch unter den Europäern, die wissen ganz genau, wer jetzt tonangebend ist.
Hier wird zweierlei deutlich. Erstens, die Unmöglichkeit einer gemeinsamen Außenpolitik der EU, und zweitens, die Strategie mit der der Aggressionen Russlands begegnet werden soll. Es läuft über wirtschaftliche Sanktionen, aber auch das nur vordergründig, weil Sanktionen selten wirksam sind, zumindest kurzfristig, die aber langfristig ein partnerschaftliches Zusammenwirken mit Russland unmöglich machen. Und genau das braucht aber Russland um wieder auf die Beine zu kommen. Wie dramatisch die Lage ist, macht auch ein Blick in den russischen Haushalt deutlich, wie sagte ebenfalls Kornblum:
1980, als die letzte große Krise war, waren 37% des Bruttosozialprodukts von Russland Energieexporte, heute ist es 68%. Russland wird zunehmend einfach zu einem primär Rohstoffland, und viel mehr nicht. Und das kann ein so großes Land eigentlich auf Dauer nicht aushalten. [...] Russland wird ausgeblutet auf der Basis des Systems das Putin aufgebaut hat, das eine Kleptokratie ist, [...]. Auf lange Sicht ist Russland in einer sehr sehr bedauerlichen Position.
Er spricht die Krise von 1980 an, hauptsächlich hervorgerufen durch den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan, der auch als Anfang vom Ende der UdSSR gesehen werden kann, und macht aber deutlich, dass alle Sanktionen und alle großen Worte (SDI) nicht zum Untergang des Sowjetreiches geführt haben. Dies wird ja immer wieder in den Medien so vertreten, dass die Sowjetunion an dem Wettrüsten, welches sie wirtschaftlich nicht mehr stemmen konnte, kaputt gegangen ist. Offensichtlich ist dieses Bild so zumindest nicht vollständig:
Ich habe das persönlich mit Gorbatschow hier in Berlin vor zwei Jahren besprochen. Er sagte: Ronald Reagan toll, hat sich brüskiert, doch was uns kaputt gemacht hat, ist der Ölpreis.
Natürlich gab es mehr Gründe als das, aber es zeigt die wunde Stelle Russlands auf. Vor diesem Hintergrund machen die derzeitigen wiederholten Äußerungen Obamas, dass Russland einen Preis zu bezahlen hätte, einen Sinn. Und auch die nun fast täglichen Telefonate Merkels mit Putin, was ebenfalls in der Presse gern als Schwäche des Westens gedeutet wird, stehen in diesem Szenario, wonach die wirtschaftlichen Aspekte auf Dauer bestimmend sind, in einem ganz anderem Licht da. Die Frage wird nur sein, ob Putin sich derartigen Überlegungen verschließt oder nicht. Die Entwicklungen in den nächsten Wochen werden dies zeigen.

In diesem ganzen Szenario wird deutlich, Deutschland hat eine Schlüsselrolle und geht damit bislang äußerst behutsam um, was nicht unbedingt ein Nachteil ist. Zum einen wird der Ausgleich mit den europäischen Partnern gesucht, zum anderen, der Dialog mit Russland. Dies um auch wiederum in einen Dialog mit den Ländern in der Pufferzone zwischen der alten, primär westeuropäisch orientierten EU, und Russland zu treten. Da gehört nicht nur die Ukraine dazu.

Alexander Gauland wurde schwer gescholten als er sein Thesenpapier zur Außenpolitik vorstellte, doch was gerade in der aktuellen Politik zu erkennen ist, entspricht in etwa dem Bild dass darin gezeichnet wird. Eine gemeinsame europäische Außenpolitik kann und wird es nicht geben, dazu sind die Interessen und die historisch gewachsenen Verknüpfungen, die ja auch immer wirtschaftliche sind, viel zu unterschiedlich. Hier in diesem Konflikt ist Deutschland gefragt, in einem anderem vielleicht Frankreich. Immer aber werden nur Nationen agieren können, niemals die EU als Einheit. Wenn Gauland von der Bismarckschen Rückversicherungspolitik spricht, die als Beispiel dienen kann, so ist zu ergänzen, dass dies nun nicht nur auf Russland zutrifft, sondern auch auf die europäischen Partner. Diese starke und entscheidende Rolle Deutschlands wird von außerhalb Europas deutlich erkannt, Obamas und Kornblums Äußerungen dazu sind nur ein Beispiel. Die Frage ist nur, wann sich die Deutschen dies selbst eingestehen, praktische Politik ist es nämlich schon.

Als zweites Fazit lässt sich ableiten, dass jede Krise ihre eigenen Ursachen hat, man aber bei keiner darauf bauen kann, dass diese von der EU gelöst werden kann. Immer sind es einzelne Akteure die sich dann in und außerhalb der Gemeinschaft ihre Unterstützer suchen. Die EU ist völlig nutzlos dabei. Sie kann für Ideen stehen, wie Freiheit und Rechtssicherheit und Friedensordnung (ein Aspekt der gerade in Osteuropa sicher nicht zu unterschätzen ist), doch niemals kann die EU eigene Interessen definieren die zum Gegenstand von Aushandlungen oder Forderungen werden kann. Dies schaffen nur Nationalstaaten, zusammen mit den Mehrheiten die sie dafür finden können. Das kann, muss aber nicht innerhalb der EU geschehen.

Ergänzend zum Thema:

Postnationales Europa oder Liberaler Internationalismus

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