21. Dezember 2019

Aus dem Archiv: Die Religion der Ökologisten

Dieser Artikel ist im Juni 2011 im Science-Skeptical-Blog erschienen, doch dieser Blog ist schon seit Wochen, vielleicht Monaten, im Wartungsmodus und mir ist nicht bekannt, ob er nochmals online geht. Eine Nachfrage an den Administrator ist bis jetzt unbeantwortet geblieben. Da aber viele meiner Texte dort, über den Tag hinaus aktuell sind, werde ich nun in loser Folge die mir wichtigen hier auf Glitzerwasser veröffentlichen.

Wilfried Kretschman zitiert in seiner Antrittsrede, im Landtag von Baden-Württemberg, Hermann Hesse mit den Worten: "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne". Die Erwähnung Hesses, brachte mich auf einen neuen Gedanken zum Ökologismus, der vielleicht auch einmal einer Betrachtung würdig ist. Hesses Siddhartha, lt. Buchtitel eine Indische Dichtung, gehörte zu den meistgelesenen Büchern während der Studentenbewegung in den Sechzigern. Tana Eisentraut schreibt in einem Text:

In der Phase der Studentenbewegung wurde das Buch Siddhartha zu einem Wegweiser in eine neue Zukunft, vermittelte es doch den Rezipienten die Hoffnung auf eine bessere Zeit, die Überwindung weltlicher Dinge, die gerade von der 68er Generation als einengend und überkommen empfunden wurden. So existieren neben zahlreichen seriösen Analysen auch solche, die Siddhartha primär als Symbol einer Aufbruchbewegung instrumentalisieren. Im Vordergrund steht folglich weniger eine Interpretation im eigentlichen Sinne, als vielmehr die Erschließung des Werkes für die Lebenspraxis.

Ich will auf Hesse aber hier nicht weiter eingehen, es soll nur als Hinweis gelten, dass in dieser Zeit, in der sich die Wurzeln der Grünen bildeten, fernöstliche Religionen hoch im Kurs standen. Die bisher gültigen Wertvorstellungen wurden in Frage gestellt und man begab sich auf die Suche nach neuen Idealen.

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Bis dahin wurde die Natur zwar auch als schützenswertes Gut geachtet, doch auch immer mit dem Hintergrund, dass man sich diese untertan machen solle (1 Mose 28). Naturromantik und Waldverehrung waren durchgängig in allen Gesellschaftsschichten vorhanden, doch nirgends hat man der Natur, nur eben weil sie da ist, besondere Rechte zugebilligt. Sie sollte natürlich geschützt werden, doch vor allem, dem Menschen zu Nutze sein. Diese Vorstellungen begannen sich zu wandeln, auch unter den Einfluss fernöstlicher Religionen. Hier hatten Tiere und Pflanzen einen anderen Stellenwert, wurde teilweise dem der Menschen gleichgestellt. Mehr noch, durch Verwandlungen und Umkehrungen konnte die Natur Rache an den Menschen nehmen. Eine besonders eindrucksvolle Geschichte möchte ich hier mit einem längerem Zitat zur Kenntnis geben:

Bhrigu, ein Heiliger, war ein Sohn des Gottes Varuna; er hatte sich ein großes brahmanisches Wissen erworben, und es war ihm zu Kopf gestiegen. Er wurde überheblich und stellte sich über seinen göttlichen Vater. Dieser wollte ihm zeigen, wie wenig er wisse, und empfahl ihm, nacheinander in die verschiedenen Himmelgegenden, nach Osten, Süden, Westen und Norden, zu wandern. Da sollte er genau auf alles achten, was es zu sehen gäbe, und ihm bei der Rückkehr erzählen, was er gesehen.

Erstlich nämlich, im Osten, sah Bhrigu Menschen, welche anderen Menschen die Glieder eins nach dem anderen abhackten und die Stücke untereinander verteilten und dazu sagten: "Das gehört dir, das gehört mir." Als Bhrigu das sah, war er ganz entsetzt, und die Leute, die da die anderen in Stücke hackten, gaben ihm die Erklärung, diese hätten es mit ihnen in der anderen Welt ebenso gemacht, und sie täten nun nichts weiter, als mit ihnen entsprechend zu verfahren...

Daraufhin trat Bhrigu die Wanderung nach Süden an und sah dort Menschen, die anderen Menschen die Glieder eines nach dem anderen abschnitten und mit "Das gehört dir, das gehört mir" unter sich verheilten. Auf seine Frage erhielt Bhrigu wieder dieselbe Antwort: Die jetzt zerschnitten würden, hatten es mit denen, die sie zerschnitten, in der anderen Welt ebenso gemacht. Im Westen darauf sah Bhrigu Leute, die schweigend andere Leute aufaßen, wobei die Aufgefressenen sich ebenfalls schweigend verhielten. So nämlich hätten es diese in der anderen Welt mit jenen gemacht. Im Norden aber sah er Menschen, die, laut schreiend, andere Menschen aufaßen, die dabei auch laut schrien, so wie diese es jenen in der anderen Welt angetan hätten.

Nach seiner Rückkehr wurde Bhrigu von seinem Vater Varuna aufgefordert, seine Lektion herzusagen wie ein Schüler. Bhrigu aber sagte: "Was soll ich denn rezitieren? Es gibt ja gar nichts!" Er hatte zu schreckliche Dinge gesehen, und alles erschien im nichtig.

Da wusste Varuna, daß Bhrigu diese Dinge gesehen hatte, und erklärte: "Die Menschen im Osten, die den anderen die Glieder abhackten, das waren die Bäume, Die Menschen im Süden, die den anderen Menschen die Glieder abschnitten, das waren die Rinder. Die Menschen im Westen, die schweigend schweigende Menschen aufaßen, das waren die Kräuter. Die Menschen im Norden, die, laut schreiend, laut schreiende Menschen verzehrten, das waren die Gewässer."

Für alle diese Fälle wußte er ein Gegenmittel. Durch bestimmte Opfer, die er seinem Sohn angab, könne man sich der Folgen seiner Handlungen im Jenseits entziehen.

(aus Elias Canetti, Masse und Macht, Die Umkehrung)

Den Einfluss derartiger Mythen und Erzählungen auf die damalige Studentenbewegung, vor allem auch der Friedensbewegung, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Natürlich spielte auch die Mao Bibel eine gewisse Rolle, doch die spirituelle Befriedigung erhielt man durch Zuwendung an die fernöstlichen Religionen. Man kann, ohne besonders viel Phantasie aufzuwenden, sich einen Ökologisten-Gottesdienst lebhaft vorstellen, bei dem der Geschichte des Bhrigu andächtig gelauscht wird und bei den Gläubigen tiefe religiöse Gefühle hervorruft.

Seit der Studentenbewegung sind nun viele Jahre vergangen, eine neue Partei ist daraus hervorgegangen und die meisten der damaligen Akteure und Mitläufer haben sich verbürgerlicht. Hesse, und die gesamten fernöstlichen Religionen, spielen keine große Rolle mehr, doch sind die Überzeugungen aus dieser Zeit durchaus lebendig geblieben. Die spirituelle Erfahrung von damals wirkt nach, auch wenn einer wie Kretschmann nun im Kirchenchor singt, oder Ministerpräsident ist. Die Natur wird sich rächen, davon ist man überzeugt.


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