11. Dezember 2020

Naturromantik und das Virus

Lediglich gelegentlich sind Versuche zu beobachten, das Corona-Virus ganz im Sinne der Rede von „die Natur wird sich rächen“ zu instrumentalisieren: die Umweltsünden, das Ausbrechen der Menschen aus ihrer naturgegebenen Rolle, werden nun bestraft. Eigentlich hatte ich sogar erwartet, dass diese Erklärung noch viel häufiger zu hören ist, als es nun geschieht. Doch im Grunde passiert das Gegenteil, die Lösung des Problems wird im Handeln der Menschen gesehen. Sie schützen sich vor der Natur mittels Masken, Handschuhen, Desinfektionsmitteln und suchen nach Impfstoffen, um sich immunisieren zu lassen. Mit einem Mal wird die Natur wieder als Bedrohung angesehen, die sich aber nicht rächen will, sondern nur existiert, als dynamisches Gebilde, und Viren, Bakterien, Keime, Tiere und Pflanzen hervorbringt, ganz einfach nur den Mechanismen der Evolution folgend.

Nun geschieht etwas, was für die welche sich in das Bild von der „Mutter Natur“ so verliebt haben, die in der Rückkehr des Menschen in die Gott- oder naturgegebenen Kreisläufe ihr Sinnbild des Daseins erkennen, geradezu katastrophal ist: Menschen schützen sich wieder vor der Natur, die eben nicht nur menschliches Leben ermöglicht, sondern es auch bedroht. Der beliebte Gegensatz von lieber und gütiger Natur auf der einen und auf der anderen Seite die böse verdorbene und verderbende Menschheit, beginnt an Wirkungskraft zu verlieren. Naturromantiker werden nun als naive Gefährder betrachtet, denn wenn es jemand schaffen kann, das Virus zu besiegen, dann sind es die Menschen selbst, indem sie sich mit allen möglichen technischen Mitteln schützen und gezielt gegen das Virus vorgehen. Sei es durch Impfungen, technischer Luftreinigung, chemischen Desinfektionsmitteln.

Während sonst auf allen möglichen Lebensmittelverpackungen irgendwelche Öko-Label prangen, so manche meinten, sich vor den ach so gefährlichen Insektiziden oder Pestiziden schützen zu müssen, vor der Gentechnik sowieso, selbst beim Mineralwasser finden sich schon Bezeichnungen wie „Solarfood“, kann es nun, da die Bedrohung durch das Virus real und nicht nur imaginär ist, gar nicht künstlich und menschengemacht genug sein. Selbst die Gentechnik, sonst als regelrechter Beelzebub gebrandmarkt, wird nun Mittel zum Zweck. Corona ist eben der Ernstfall, etwas Reales, eine Bedrohung der persönlichen Gesundheit jetzt und unmittelbar und in solchen Fällen zeigt sich, welche Mittel zum Schutz vor der Natur, was genauso wichtig wie der Schutz der Natur ist, praktikabel und legitim erscheinen.

Das Gewissen und Mutter Gaia werden beschwichtigt und das eigene Verhalten, die eigenen Mittel des Selbstschutzes, als Notwendigkeit im Ausnahmefall gerechtfertigt.

Was aber, wenn wir es gar nicht mit einem Ausnahmefall zu tun haben, sondern mit ganz normaler Natur, zu deren Prinzip die Evolution gehört und die ständig neue Dinge schafft, die auch Bedrohungen und Angriffe auf die menschliche Gesundheit sein können? Dann, ja dann wackelt das Bild von den natürlichen Kreisläufen, in die sich die Menschheit einzuordnen habe und die Naturromantik wird als Träumerei erkannt und weicht einem realistischen Blick. Dieser wäre: Menschen können sich ihren Platz zum Leben nur schaffen, wenn sie in die Natur eingreifen, sie zwar nutzen, sich oft aber auch vor ihr schützen müssen, vor ihren Viren, Pilzen, Bakterien und was sie sonst noch hervorbringt.

Das Coronavirus mag einen Ernstfall darstellen, der die Gesundheit und das Leben vieler Menschen bedroht, ein Ausnahmefall ist das aber nicht, dergleichen geschah, geschieht, wird immer wieder geschehen, weshalb die Antworten, die die Menschen auf diese Bedrohung finden, generell für unseren Umgang mit der Natur gelten können. Naturromantik gehört nicht dazu, der Ernstfall zeigt das.








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