Ich wollte über die Nase schreiben, bin aber über so eine Art Beipackzettel zu meinen Gedanken nicht hinaus gekommen. Ob das heute anders wird, kann ich noch nicht versprechen, es gibt keinen klaren Weg für diesen Text, das Ziel ist unklar, selbst für mich. Na ja, jetzt habe ich ein wenig geflunkert, natürlich hatte ich eine Idee wohin meine kleine Gedankenreise führen soll, nur ob ich dort ankomme, das ist noch nicht sicher, also halte ich mich mal lieber vorerst bedeckt.
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Früher, in der Jugend insbesondere, war ich anders. War eine Überzeugung gereift, dann suchte ich den argumentativen Weg dahin. Dieser musste klar und deutlich, die Argumente geprüft und als nützlich für den Zweck befunden, Gedankentunnel oder Gedankenbrücken solide und belastbar sein. Je geradliniger der Weg zum Ziel, desto besser, gleich einer Autobahn, lediglich der Zielort ist von Bedeutung. Alles was am Weg liegt, ist uninteressant, nur Ortsnamen die vorüberfliegen. Auf Schildern sind hin und wieder Hinweise auf Sehenswürdigkeiten in der Gegend zu sehen, wie Links in einem Text, aber kaum einer folgt ihnen.
Die Zeitökonomie bestimmte das Denken, gleich dem Lehrplan in einer Schule, so und so viele Stunden für das eine Thema, ein paar mehr oder weniger für ein anderes. Das Navi oder Googlemaps zeigt an, wie weit das Ziel entfernt ist und den schnellsten Weg dahin. Das Lernziel ist festgelegt, der Weg dahin auch. An den Spruch von Hannah Arendt vom Geländerdenken denke ich, sie nannte ihres „Denken ohne Geländer“. Oder ein Walt Whitman zugeschriebenes Zitat: „Im Walde zwei Wege boten sich mir dar und ich ging den, der weniger betreten war - und das veränderte mein Leben.“
Jetzt habe ich es doch schon wieder getan und berühmte Namen genannt, so als ob ich, wie der Namenlecker, etwas von ihrem Glanz auf mich und meine Gedanken übertragen könnte. Ach, wie viele Namen könnte ich lecken, beim Thema Reisen und Unterwegs sein, doch ich will der Versuchung widerstehen und keine Abkürzung, die mir vielleicht mein Navi vorschlagen würde, nehmen. Wie verlogen so eine Namensnennung ist, wird schnell klar, wenn man ehrlich zu sich ist. Von beiden genannten habe ich nämlich noch nie was gelesen, nur einiges von dem mitbekommen, was über sie und ihre Texte geschrieben und gesagt wurde. Aber ich nannte sie, um meinen Gedanken Gewicht zu geben, doch gerade das wollte ich ja vermeiden und nur meiner Intuition folgen, meiner Nase.
Mit dieser kleinen Entschuldigung über meine eigene Unvollkommenheit, die mit der Namensnennung offenbar wurde, war ich nun auch gezwungen, etwas vom ursprünglichen Ziel meiner Gedankenreise über die Nase preis zu geben und erwähnte den Begriff Intuition. Darauf will ich jetzt aber noch nicht eingehen und bitte um etwas Geduld, erst mal möchte ich noch nicht zum Ziel kommen, sondern nur unterwegs sein.
Zugegeben, damit befinde ich mich in einer problematischen Lage, denn so manches Mal, wenn ich mich auf Gedankenreise befinde, wird das Ziel dieser, der Punkt auf den ich hinaus will, immer nebensächlicher. Irgendetwas stiehlt die Aufmerksamkeit, ein Gedanke schleicht sich ein, der dann so interessant wird, dass ich nicht einfach daran vorbeigehen kann. „Der Weg ist das Ziel“, meinte Konfuzius. Aber meinte er damit auch, dass ein Weg kein eigentliches Ziel braucht? Ich weiß es nicht, habe mich nie ausführlich mit diesem Philosophen beschäftigt. Habe nur mal wieder einen Namen geleckt und finde außerdem das Zitat richtig gut.
Doch bleiben wir noch kurz beim Weg, hier natürlich immer auch metaphorisch als den Prozess des Denkens zu sehen, sicher hat das Konfuzius auch so gemeint. Mein Weg ist daher: immer der Nase nach. Das muss ja nicht ohne Ziel geschehen. Früher, so heißt es, wurde mit diesem Spruch „immer der Nase nach“ der Gestank von Fäkalien oder dergleichen gemeint, die den Weg zum gewünschten Ort anzeigten. In den Städten soll es ja nicht schlecht gestunken haben, mangels funktionierender Kanalisation. Manchmal sind es allerdings auch Wohlgerüche, die uns wie Magnete anziehen, eine Bäckerei etwa. Jeder Ort hat seinen spezifischen Geruch, der uns zum Verweilen oder zum Weggehen auffordert.
Natürlich betrifft dies auch die Dinge, so habe ich bis heute keinen E-Book-Reader, will mit einem solchen Gerät keine Bücher lesen. Freilich ist die Information dort genauso vorhanden wie in einem gedruckten Buch aus Papier, aber es fehlt das Knistern der Blätter, der Geruch eines Buches, einfach jede Sinnlichkeit. Für Lexika oder Fachliteratur mag es vernünftig sein, derartige elektronische Hilfsmittel zu nutzen, schon aus ökonomischen Gründen, er spart Platz, Zeit, Geld und ich kann ganze Bibliotheken mit mir herumtragen. Meine Gedankenreisen benötigen aber die Sinnlichkeit. Vergleichen wir es einfach mit einem Pilgerweg. Zum Ziel einer Pilgerreise kann ich auch mit einem Hubschrauber fliegen. Haken dranmachen, habs gesehen, war dort, kann darüber reden. Doch ist es auch das gleiche Ziel, wenn ich es erwandere? Die Eindrücke des Weges vermischen sich mit dem Ziel und es ist nun ein anderes geworden.
Doch nicht nur der Weg zum Ziel, das Ziel selbst, nein, auch der Start fließt mit in das Gesamtbild ein. Ein Ziel, ohne den Weg dahin und ohne den Ausgangspunkt, zu betrachten, wird nie möglich sein. Start, Weg und Ziel gehören untrennbar zusammen. Bei Sportveranstaltungen ist das alles klar festgelegt, wer sich nicht daran hält, wird disqualifiziert. Auf die verschiedenen Rennen in einer Gesellschaft übertragen, wird man von Denunzierung reden können. Wer den Festlegungen von Start, Weg und Ziel nicht genau folgt, wird ausgeschlossen.
Die Nase wird bei solchen Rennen, ob in der Gesellschaft oder im Sport, nie eine Rolle spielen, sie würde nur ablenken. Überall dort, wo die Wege und das Ziel vorgeschrieben sind, müssen Wohlgerüche oder Gestank ignoriert werden. „Da musst du durch“, sagen wir schon zu unseren Kindern, damit die ja nicht den vorgegebenen Pfad verlassen, sich irgendwelchen Verlockungen hingeben, oder Schwierigkeiten umgehen, Abkürzungen nehmen. Alles muss seinen geregelten Gang gehen.
Was aber macht der Suchende, der Neugierige, der keine vorgeschriebenen Wege gehen möchte? Der folgt erst mal seiner Intuition, seiner Nase, um vielleicht einen für ihn gangbaren Weg zu finden, einen der seine Bedürfnisse und seine Neugierde befriedigt. Das Ziel wird dann zur Nebensache, vielleicht ergibt sich eines, manchen allerdings ist der Weg schon genug. Mir, beispielsweise.
Fortsetzung folgt
Bisher erschienen
Die Nase (1) – Gedanken mit Beipackzettel
Die Nase (2) – Gedanken auf dem Weg
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