9. August 2022

Patricia Schlesinger und die moralische Lizenzierung

Wir wundern uns, wie beispielsweise Frau Schlesinger, die vom RBB, sich moralisch fragwürdig benehmen kann, aber wenn die Verfehlungen dann an die Öffentlichkeit kommen, sich auch noch empört gibt. Ist es Skrupellosigkeit oder das Fehlen jeglicher Moral? Wir können es nur vermuten, aber ein Aspekt scheint mir in diesem Zusammenhang doch einer Betrachtung wert, und das wäre die „Moralische Lizenzierung“. Untersuchungen haben nämlich ergeben, dass gerade Menschen, die sich als die Guten wähnen, das setze ich mal bei den ÖRR-Leuten voraus, oft ein sehr rücksichtsloses Verhalten an den Tag legen. Auf Wikipedia ist dazu zu lesen:

In einer kanadischen Studie wurde das Verhalten von Menschen untersucht die entweder in einem Ökoshop (Gruppe 1) oder in einem konventionellen Geschäft (Gruppe 2) einkaufen. Dabei zeigt sich, dass Menschen aus Gruppe 1 eher geneigt waren im Vertrauensspiel das Vertrauen einer anderen Person zu missbrauchen. In einem anderen Spiel zeigte sich, dass Menschen aus der Gruppe 1 eher bereit waren zu lügen und zu betrügen als Menschen aus Gruppe 2.

Auf einmal ergibt das Verhalten von Frau Schlesinger einen Sinn. Das vieler anderer auch, nicht nur in der Politik, da aber besonders. Entschuldigen Sie bitte, ich sprach von Frau Schlesinger um dann gleich mit der Politik fortzufahren, ohne Überleitung, aber ich kann Politik und Medien derzeit eh kaum auseinanderhalten, dann passiert so was eben.

Vielleicht sollten wir besser von den Gutmenschen sprechen, anstatt korrekt in Politiker und Journalisten zu unterscheiden? Aber eigentlich kann ich damit nichts anfangen, weil der Begriff Gutmensch mir immer suggeriert, dass diese so abwertend bezeichneten, lediglich die Kollateralschäden ihrer guten Taten oder ihrer guten Überzeugungen nicht sehen wollen, es also nicht viel mehr als Naivität ist, was man ihnen vorwerfen könnte. Sicherlich gibt es solche Naive, aber nicht in der Politik, diesem Raum, in dem Sendungsbewusstsein, Machtstreben und Selbstdarstellung die dominierenden Töne sind. Denen dort unterstelle ich mehr Skrupellosigkeit, und weniger Naivität.

Zurück zur „moralischen Lizenzierung“. Wenn es aber diese gibt, quasi als ein Mechanismus, der dem Menschen hilft mit der Widersprüchlichkeit der eigenen Handlungen klarzukommen, dann brauche ich die Vorwürfe der Naivität oder der Skrupellosigkeit nicht mehr, muss nicht meine Moral gegen die Morallosigkeit meiner Gegner setzen. Was die wahrscheinlich mit mir oder meinesgleichen umgekehrt genau so machen. Daraus wird sich dann auch kein Disput entwickeln können und am Ende bleibt nicht viel mehr übrig, als gegenseitige Beschimpfungen.

Wenn wir nun also wissen, dass sich moralisch gebende Menschen immer auch vor ihrer Moral schützen, sie praktisch ein inneres Konto führen, mit Soll und Haben, dann führt das zu der Frage, welchen Aussagewert die Moral, mit der sich die Menschen kleiden, schmücken, vielleicht verkleiden, überhaupt noch bei der Bewertung ihrer Persönlichkeit hat?

„Freiheit ist nicht, wo die Vernunft Macht hat, sondern dort wo Recht der Vernunft Einhalt gebietet.“, schrieb ich mal nach einem Streitgespräch der Philosophen Boris Groys und Vittorio Hösle. Heute möchte ich aber unbedingt die Moral einfügen und sagen: „Freiheit kann nur dort sein, wo der Vernunft und der Moral Einhalt geboten wird.“

Nein, ich werde mich jetzt hier nicht auf philosophisches Glatteis begeben, schon gar nicht was die Themen Vernunft und Moral angeht, da sind viel größere Denker, als ich je einer sein könnte, gehörig auf die Nase gefallen. Ist Ihnen, verehrter Leser, bei diesen Worten nicht auch sofort der „kategorische Imperativ“ eingefallen? Vergessen Sie das alles bitte, meine Betrachtungen gründen sich auf meine Beobachtungen, auf nichts sonst.

Und beobachtet habe ich eben, dass Personen, die sich ach so moralisch geben, manchmal eigentlich Arschlöcher sind; und die Theorie von der moralischen Lizenzierung erklärt mir, warum die dennoch mit sich im Reinen sein können.


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2 Kommentare :

  1. Guter Beitrag und sicher weitestgehend zutreffend. Der mitunter verwendete Begriff "Tugendwedler" kommt mir da recht passend vor. Man könnte sie auch Gutdünkler nennen.

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  2. Menschen entwickeln sich in Phasen. Nach der Pubertät folgt beispielsweise die Konformität. Es ist keine Ablösung, sondern jeweils eine Erweiterung. Daher findet erlerntes Verhalten der Pubertät auch im Alter statt, wenn beispielsweise die Konformität nicht ausreicht.
    In der Pubertät entwickelt sich eine nützliche Moral. Es bedeutet, dass in ihr Handlungen erst dann als schlecht eingeordnet werden, wenn man erwischt und bestraft wird - der klassische Opportunismus. Bis dahin wird alles ausprobiert.
    Die Wirkungsweise von Geboten funktioniert dann ab der Konformität. Die Doppelmoral als moralische Lizensierung hat ihre Hochzeit dabei in besonders konformen Gemeinschaften, beispielsweise Kirche oder jede x-beliebige Sekte.

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