31. Mai 2024

Notizen im Mai 2024

Ein Schatz ist nicht vernetzt, im Gegenteil. Wer ihn finden will, muss an einsamen, geheimen oder besonderen Orten suchen, manchmal graben oder Schlösser knacken. Schätze, die präsentiert werden, sind keine mehr.

Einen Brief schreiben, damit ist es nicht getan. Das geeignete Briefpapier suchen, einen Federhalter, den passenden Umschlag und Briefmarke, alles das muss passen. Manchmal hoffe ich, das Internet bricht zusammen und Bücher und Briefe ersetzen es.

Der Westen, politisch wie geografisch einstmals mein Sehnsuchtsort, gerät in eine tiefe Identitätskrise. Was davon betrifft den ganzen Westen und was speziell Deutschland? Oder ist es gar keine Krise, sondern der Normalzustand der ständigen Sinnsuche? Fragen über Fragen.

Warum macht es ihnen so Angst, wenn auf Partys dümmliche Lieder geträllert werden?
 
Gegen wohlformulierte Kritik sind sie immun, die Herrschenden, die ignorieren sie einfach. Auf Partysongs aber, dort, wo Stimmungen und Gefühle transportiert werden, reagieren sie allergisch. Damit zeigen sie uns ihren Schwachpunkt: Wir müssen sie nur auslachen.

Ätsch! Ich bin ungeimpft.

Eine Erkenntnis kann Glücksgefühle hervorrufen, das Selbstwert- und Überlegenheitsgefühl verfestigt sich und dann wird die Erkenntnis verteidigt; sie wirkt identitär. Sie infrage zu stellen, selbst wenn sie offensichtlich Unsinn ist, tut doch so weh.

Ich stelle mir gerade vor, ginge ich in die Politik, wie lange es schaffen würde, anständig zu bleiben. Ein Jahr, zwei Jahre? Viel länger sicher nicht.
 
Gegner, politische wie persönliche, können nur geachtet und respektiert werden, wenn die Regeln des Anstandes befolgt werden. Werden die aber gebrochen, wird aus Achtung Verachtung.
 
Wer sich im politischen Geschäft nach oben arbeitet, wird es auf diesem Weg schwer haben, anständig zu bleiben, überall Hinterhältigkeiten, Verleumdungen, Schienbeintreterei, die fast immer den eigenen Charakter versauen.

In den frühen Achtzigern wurde ich in Stuttgart von Einheimischen gefragt: „Welcher Landsmann sind sie?“ Denen war mein sächsischer Dialekt aufgefallen. Ich habe es als ein „Willkommen“ verstanden. Landsmann! Wer heute dieses Wort verwendet, wird sicher gleich als Nazi verdächtigt.

Diejenigen, die den Babyboomern mal die Rente bezahlen müssen, werden diese Generation verachten dafür, dass sie sich ins gemachte Nest gesetzt haben und daraus eine Anspruchshaltung entstanden ist, mit der sie die zu wenigen Nachkommen drangsalieren.

Ich traue keiner Verfassung, keinem Grundgesetz über den Weg, wenn es ohne Volksabstimmung geändert werden kann. Für mich der größte Schwachpunkt unseres Grundgesetzes.

Die menschliche Natur, die Bedeutungslosigkeit nicht ertragen kann, verführt sie dazu, sich in Versammlungen zusammenzufinden.
(William Butler Yates)

Beim Unfähigen – einem, der sich im Job hält, obwohl er ihn nicht beherrscht und keine Ahnung hat von dem, was den Job ausmacht – sind dennoch Talente besonders ausgeprägt: lügen und täuschen, insbesondere.

Wahlzettel für den Gemeinderat, die Regionalversammlung und den Kreistag waren in der Post. Ich halte sie in der Hand und empfinde nichts dabei, schlimmer noch, fast ist es so, dass sich mein Ekel gegenüber der derzeitigen Politik auf die Zettel überträgt.
 
Eine der Töchter nimmt ihren Umschlag in die Hand, liest, was drin ist, knüllt ihn zusammen und wirft ihn in den Müll. Das Bedürfnis, es ihr gleichzutun, kommt in mir auf und ich schäme mich fast dafür. Noch nie habe ich in der Bundesrepublik eine Wahl versäumt (außer in den Jahren, als ich in Asien lebte). Aber dieses Jahr muss ich mich zwingen.

Die Igitt-Erfahrungen haben eindeutig die Oberhand über die Aha-Erfahrungen gewonnen, vor allem in der Politik.

Sie wollen ein Kalifat. Ich muss an Isnogud denken.

Höre ich das Wort Frankreich, habe ich impressionistische Bilder im Kopf, höre ich Deutschland, sind es expressionistische. Wo kommen sie nur immer her, diese Bilder, ganz spontan sind sie da und bleiben hartnäckig, obwohl sie einer realistischen Betrachtung nicht standhalten dürften.

Hybridautos sind typisch für Mitläufer.

Im Gleichschritt marschieren? Für mich käme das einer Selbstverleugnung gleich.

Bin ich stolz ein Deutscher zu sein?
Ein bisschen vielleicht.
 
Bin ich stolz auf Deutschland?
Kein bisschen.

Was wählen wir? Köpfe oder Programme? Deutschland versucht sich in einem Kompromiss, Erststimme Kopf, Zweitstimme Programm (Partei). Aber mir ist das im Grunde genommen egal, ich misstraue den Köpfen genauso wie den Programmen.
 
Fast immer, wenn ich an einer Wahl teilnahm (Bund oder Land), dann ging es mir nicht darum, eine bestimmte Partei oder einen bestimmten Kandidaten zu wählen, sondern die abzuwählen, die gerade an der Macht sind.

Natürlich ist mir das Morgen, die Zukunft, wichtig. Ich will mich morgen nicht darüber ärgern, heute nicht gelebt zu haben. Also genieße ich das Heute, so gut es geht, damit ich mich morgen nicht darüber ärgere, das Leben versäumt zu haben.

Es gibt Verräter und Gegner des konservativen Bürgertums in Deutschland. Die Gegner, Linke und Grüne, kann ich respektieren, auch wenn ich ihre Überzeugungen nicht teile. Die Verräter des Bürgertums allerdings, CDU und FDP, die verachte ich nur noch.

Lügen, überall Lügen, wo ich auch hinschaue; und wenn ich ehrlich zu mir bin, sogar aus meinem Mund.

Ich mag den Begriff „Verfassungspatriotismus“ nicht; immer wenn ich ihn höre, entsteht ein Bild im Kopf, wie ein Mann mit glänzenden Augen ein Buch in die Höhe hält. Dieses Bild ist mir unangenehm. Was kann ich für meine Bilder in meinen Kopf? Sind sie Warnungen und wovor?

Einer meiner Lieblingsamis ist gestorben, Paul Auster. Ruhe in Frieden. Das Letzte seiner Bücher, was ich kaufte, „4 3 2 1“, steht nur angelesen im Regal; ich werde es mir nun wieder auf den Schreibtisch legen und vielleicht schon heute es mir noch mal vornehmen.
 
Sein erstes Buch, was ich las, die „New-York-Trilogie“ begeisterte mich, einige weitere folgten. Irgendwie, ganz am Anfang, so fand ich, ist er so etwas wie eine Mischung aus Edgar Allan Poe und Franz Kafka.

Mehr Gedankenschnipsel


Spenden


Glitzerwasser ist frei von Werbung, auch sind keine nervigen Popups geschaltet. Doch Spenden sind gerne willkommen. Per Überweisung oder einfach per PayPal.

Vielen Dank


Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen