29. Oktober 2012

Erich Kästner und die Email

Heute Abend wollte ich meinen kleineren Kindern mal aus einem Buch vorlesen, welches mir als Kind gut gefiel: Erich Kästners »Konferenz der Tiere«. Es wurde ein Desaster. Schon dieser erste Absatz im Buch ließ mich zweifeln, ob meine Auswahl die richtige ist:
"telegramm an alle welt! -..- konferenz in london beendet -..- verhandlungen ergebnislos -..- bildung von vier internationalen kommissionen -..- nächste konferenz beschlossen -..- wegen tagungsort noch meinungsverschiedenheiten -..--..---..----"
„Was ist ein Telegramm, Papa?“

Mist! Würde Bernd das Brot dazu sagen. Ja klar, woher sollen die Knirpse auch wissen was ein Telegramm ist. OK, Ihr Bälger, wollte ich beginnen, konnte es mir verkneifen und sagte: „Kinder, das ist sowas wie eine Email, nur musste man dazu auf die Post gehen, von dort wurde es dann verschickt. Das ist so ungefähr wie ein Fax, doch das gab es damals noch nicht, auch keine Computer.“

Also weiter im Text. Und hier muss ich einfügen, es war heute Abend das erste mal seit Dutzenden von Jahren, dass in dieses Buch geschaut habe, und war selbst erstaunt zu lesen was nun kam. Kurz und gut, es geht um Nachrichten, um schlechte Nachrichten aus folgenden Publikationen: Täglicher Sahara Bote, Allgemeiner Sahara Anzeiger, Sahara Abendblatt. Überall wurde Schreckliches berichtet, immer im Zusammenhang mit Krieg, Revolutionen und Streiks. Und alle schrieben über Verschiedenes das Gleiche: Die Eltern der armen Kinder, die unter Krieg, Revolutionen und Streik am meisten zu leiden haben, diesen Eltern müsse der Kopf gewaschen werden.

„Papa? Als es noch keine Email gab, war da überall Krieg?“

„Nein, aber als das Buch geschrieben wurde, war der 2. Weltkrieg gerade erst vorbei. Die Menschen mussten da immer noch daran denken“ Aber schon als ich dies antwortete merkte ich, dass diese Erklärung zu billig ist. Vielleicht hätte es den 2. Weltkrieg tatsächlich nicht gegeben, wenn man damals schon Computer und Email und Internet gehabt hätte, die Menschen wären nicht auf eine gleich geschaltete Presse angewiesen gewesen. Aber wie erkläre ich das jetzt nur so, dass die Zwerge das auch verstehen. Oder muss ich gar nichts erklären, weil sie es schon begriffen haben. Nicht bewusst, aber gefühlt. Dort wo Informationen einseitig dargebracht werden, oder ganz unterdrückt, wachsen Spannungen die zu Konflikten führen können.

Eigentlich wollte ich heute Abend vorlesen, um den Kindern etwas gutes zu tun, und genau umgekehrt ist es gekommen. Sie haben mir etwas gelehrt, nicht ich ihnen.

Fortsetzung folgt.

2 Kommentare :

  1. Kinder sind eben ein Quell der Weisheit. Über sie ist die Woge der Werbung, medialen Lenkung und edukativen Formung (hoffentlich) noch nicht hinweggegangen (oder sollte man Tsunami sagen?).
    Den Kindern gehört die Zukunft, aber ob sie uns gefällt?

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  2. Ich denke, ob uns die Zukunft gefällt ist irrelevant. Den Kindern muss sie gefallen, sie müssen sich in dieser Zukunft entwickeln können. Das Rüstzeug dafür können wir ihnen mitgeben, was sie daraus machen ist ihre Sache. Ich möchte auch nicht so leben wie es meinen Eltern gefällt, sondern so wie es mir vorschwebt. Und das machen unsere Kinder dann genau so.

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