Nach den Erfahrungen in der PG1⁽³⁾ war man offensichtlich bemüht, wenn schon nicht einen Konsens, so doch immerhin ein gemeinsames Papier zustande zu bringen. Im Laufe der Sitzung wurde auch deutlich, wie dies gelingen konnte. So wurden abweichende Meinungen und Standpunkte in Fußnoten verpackt, und als diese Praxis Ott erklärte, veranlasste dies die Vorsitzende Daniela Kolbe zu der Feststellung, es wären wirklich viele Fußnoten in dem Bericht. Doch selbst damit war noch nicht alles in Butter, vor allem Michael Müller⁽⁴⁾ konnte sich überhaupt nicht mit der Darstellung anfreunden, dass es offensichtlich auf absehbare Zeit keine Schwierigkeiten bei den Ressourcen geben wird, und er machte geltend, dass die Zeit von Easy Oil vorüber gehe, und es immer schwieriger wäre, an die Ressourcen heran zu kommen. Schon diese Bemerkung zeigt, wie technikfeindlich seine Gedanken sind. Wenn eine derartige Sichtweise stimmen würde, dann wäre zu jeder Zeit ein Ende des Easy Oil zu verzeichnen gewesen. Was heute easy ist, war vor Jahrzehnten unmöglich, und so wird es auch weiter gehen. Es sei denn man teilt die derartig pessimistische Weltsicht eines Herrn Müller.
Sowohl Hermann Ott, als auch Meinhard Miegel, einer der Sachverständigen in der Enqute⁽⁵⁾, erklärten in Gesprächen⁽⁶⁾ außerhalb der Kommission, warum es so wichtig sei ein gemeinsames Papier mit einer einheitlichen Aussage zu erstellen. Ohne diese gemeinsame Aussage könne es für die Politik keine Handlungsempfehlungen geben und das Papier verschwindet nach Fertigstellung in den Schubläden, wie dies schon mit vielen anderen Papieren dieser Art in der Vergangenheit geschehen ist. Doch genau danach sieht es momentan aus. Die Website Enquetewatch⁽⁷⁾ kommentiert diesen Umstand so:
Somit: Die gemeinsame Analyse ist kein Garant für gemeinsames politisches Handeln. Die kommenden Sitzungen werden diesen Umstand wohl gnadenlos zu Tage tragen. Doch durch die Arbeit der Enquete-Kommission brechen ganz unweigerlich neue Erkenntnisse in den wirtschaftspolitischen Diskurs im Parlament; und das in allen Fraktionen. Zudem sollte die öffentliche Sensibilisierung durch eine ausführliche Berichterstattung nicht unterschätzt werden. Denn nur in der langen Frist können belastungsfähige Einstellungen und Überzeugungen erwachsen, womöglich auch solche, die zum so häufig angemahnten Verzicht ermuntern.Hier ist beim Verfasser wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens. Es stimmt sicher, durch die Berichterstattung über die Enquete werden neue Erkenntnisse gewonnen und in den wirtschaftspolitischen Diskurs im Parlament einfließen, dies sind aber vor allem Erkenntnisse über die Unsinnigkeit einer nationalen Vermeidungspolitik⁽⁸⁾. So wird auch den Parlamentariern deutlich, dass nicht einmal Suffizienz die gewünschten Ergebnisse bringt, selbst dann nicht, wenn es Koalitionen von Willigen geben würde. Von romantischen Nachhaltigkeitsvorstellungen bleibt eben nicht viel übrig, wenn einmal die Fakten auf den Tisch kommen. Die zunehmende Gereiztheit von Leuten wie Müller oder Miegel spricht Bände. Beide, obwohl aus völlig gegensätzlichen politischen Lagern kommend, ergehen sich immer mehr in allgemeiner Kapitalismuskritik. Miegel spricht vom unwürdigen Geist des Kapitalismus und bemüht dazu den Soziologen Max Weber⁽⁹⁾ und Müller meint, wir leben heute in einer radikal veränderten Welt, in der alten Antworten nicht mehr gelten. Beide haben Unrecht und lassen sich von apokalyptischen Vorstellungen leiten und vergessen dabei, dass es den Menschen von je her gelang, aus weniger Ressourcen immer größeren Nutzen zu ziehen. Diese alte Antwort ist immer noch gültig, auch wenn das so manchem Mitglied der Enquete überhaupt nicht schmeckt. In diesem Zusammenhang sei eine Stellungnahme von Ulrich Brand⁽¹⁰⁾ zu nennen, der als Schverständiger für die Linke in der Enquete sitzt und der von der Meadowsfalle sprach:
Wir haben 40 Jahre falsch auf die Problematik geschaut, weil wir von der Ressourcenknappheit ausgingen [...]. Gleichzeitig sollten wir vorsichtig sein, jetzt nicht in die Rockströmfalle zu gehen, nämlich nur auf die planetarischen Grenzen zu schauen, [...], aber es ist eben nicht die Menschheit die da handelt, es sind verschiedene Akteure, verschiedene Nationalstaaten die da agieren.Brand spricht etwas Wichtiges an, nämlich die Unmöglichkeit alle wichtige Staaten einem globalen Nachhaltigkeitsregime zu unterwerfen, und doch ist das noch nicht die Rockströmfalle. So wie Meadows⁽¹¹⁾ von einer Ressourcenknappheit ausging, was nun als falsch erkannt wurde, geht Röckström⁽¹²⁾ von einer Problematik aus, wonach die Kapazität des globalen Ökosystems an seine Grenzen stößt, bzw., bereits überschritten ist. Auch hier zeigt sich der Zukunftspessimismus in Reinkultur, denn in Wirklichkeit werden die Menschen Probleme durch Fortschritt lösen, und nicht durch Verzicht. So wie sich Meadows von einem völlig falschem Denkansatz hat leiten lassen, so tut dies auch Rockström. Und in dieser Falle sitzen bereits Ott und Kollegen.
Man sieht schon bis hierher, es wird kaum möglich sein, eine Handlungsempfehlung für die Politik zu erarbeiten. Deshalb wurde auch gleich auf dieses Kapitel 7 vorerst verzichtet, in dem diese Empfehlungen dargestellt werden sollen. Ob es noch nachgereicht wird ist zweifelhaft, einen Konsens wird es sicher nicht geben. Schon in der Vorstellung des Berichts kündigte Ott an, dass es möglich, oder gar wahrscheinlich ist, dass es keine gemeinsame Handlungsempfehlung an die Politik geben wird. Die Schublade wartet also schon.
Ursprünglich wurde diese Enquete von den Grünen gewünscht, und nach und nach haben sich alle Fraktionen angeschlossen. Für die Initiatoren entwickelt sich diese Kommission immer mehr zum Bumerang. Wollte man ursprünglich Druck auf Politik und Gesellschaft machen, um eigene Vorstellungen mehr zur Geltung bringen zu können, so zeigt sich nun, dass gerade diese Vorstellungen von falschen Annahmen gespeist wurden. Das ist an sich nicht neu, und war auch schon vielfach nachzulesen, doch nun brechen diese Erkenntnisse gnadenlos in den in den wirtschaftspolitischen Diskurs im Parlament hinein, und zwar in alle Fraktionen, wie Sebastian Kerlach bei Enquetewatch richtig feststellte.
Verweise / Erläuterungen
(1) 21. Sitzung der Enquetekommisson "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität." Auf der Website ist sowohl der Videomitschnitt (ca. 3h) zu sehen, als auch ein Download (PDF) von Tagesordnung und Berichtsentwurf möglich.
[21. Sitzung am 24. September 2012]
(2) Mitgliederliste der Abgeordneten und Sachverständigen der Projektgruppe 3: "Wachstum, Ressourcenverbrauch und technischer Fortschritt – Möglichkeiten und Grenzen der Entkopplung."
[Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität - Projektgruppe 3]
(3) In der PG1 gab es vor allem Schwierigkeiten einen Wachstumsbegriff zu definieren. Auch hier konnte ein Scheitern nur mit Mühe abgewendet werden und es wird ebenfalls keinen Konsens geben.
[Science-SkepticalBlog: Eine Enquete Kommission]
(4) Michael Müller ist neben seiner parteipolitischen Tätigkeiten, auch als Bundesvorsitzender der Natur Freunde Deutschlands, sowie im Präsidium des Deutschen Naturschutzrings aktiv.
[Enquete - Biographien der Sachverständigen: Michael Müller]
(5) Meinhard Miegel ist in erster Linie Sozialwissenschaftler und durch zahlreiche Publikationen bekannt.
[Wikipedia: Meinhard Miegel]
(6)Die Gerda Henkel Stiftung präsentiert eine Reihe unter dem Titel: "Gespräch in der Laube." Hier wurden Videos aufgezeichnet und sind auf der Seite L.I.S.A zu sehen. Meinhard Miegel war dort am 10.09.2012 zu Gast. Das Gespräch mit Ott, Thieme und Welzer vom 08.08.2012 hatte ich schon in Glitzerwasser und Science-Skeptical kommentiert.
[L.I.S.A.: Wohlstand ohne Wachstum?]
[Glitzerwasser: Meadows, Ott und die Katastrophen]
(7) Enquetewatch ist ein Projekt vom "Konzeptwerk Neue Ökonomie"
[Enquetewatch: Pateipolitik vs Sachverstand]
(8) Schon im Februar 2010 stellt Peter Heller im ScienceSkepticalBlog fest: "Die Anpassungsstrategie ist das offensichtliche Mittel, der Herausforderung Klimawandel zu begegnen. Die Vermeidungsstrategie ist in jeder Hinsicht ungeeignet. Ihre Sinnhaftigkeit ist so wenig nachweisbar, wie ihr Erfolg. "
[Peter Heller: Anpassung kontra Vermeidung]
(9) Nach Max Webers Vorstellungen besteht zwischen der protestantischen Ethik und dem Beginn der Industrialisierung bzw. des Kapitalismus in Westeuropa ein enger Zusammenhang.
[Wikipedia: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus]
(10) Ulrich Brand ist politisch aktiv seit den 1990er Jahren in der Internationalismus- und Ökologiebewegung, insbesondere in der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO). Ab 2002 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac-Deutschland, den er fünf Jahre lang koordinierte. Er nahm zwischen 2001 und 2011 sieben Mal am Weltsozialforum teil.
[Enquete - Biografien der Sachverständigen: Prof. Dr. Ulrich Brand]
(11) Dennis Meadows wurde einem breiterem Publikum vor allem durch seine Studie "The Limits of Growth" bekannt, welche 1972 für den Club of Rome erstellt wurde.
[Wikipedia: Dennis L. Meadows]
(12) In der Rockström-Studie geht es hauptsächlich um die Identifizierung "kritischer" planetarischer Grenzen. Nachzufragen wäre in diesem Zusammenhang, wie fundiert diese Annahmen sind, und ob auch hier durch Fortschritte in Technik und Ressourcennutzung derartige Annahmen hinfällig sind. Ähnlich wie dies bei Meadows geschehen ist.
[PIK-Potsdam: Planetarische Grenzen: Ein sicherer Handlungsraum für die Menschheit]
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