Die Xhosa lebten teilweise unter britischer Herrschaft, teilweise wurden sie von den Buren bedrängt. Insgesamt eine recht ungute Situation. Im Jahr 1856 begannen sich Bewegungung zu verbreiten, deren Anhänger glaubten, in der Auseinandersetzung mit den Weißen würden sie nun Verstärkung von ihren Toten bekommen. Propheten traten auf, die behaupteten mit den Toten in Verbindung zu stehen. Bevor die Toten aber in den Kampf mit ihren Feinden eintreten, müssten erst noch einige Vorbedingungen erbracht werden. Dazu gehörte, dass alles Vieh geschlachtet und alle Vorräte vernichtet werden müssen.
Nun muss man bedenken, dass das Vieh der größte Reichtum dieses Volkes war. Die Propheten verlangten praktisch, dass sich das Volk der Xhosa um seine eigenen existenziellen Grundlagen bringt. Nicht alle haben da sofort mitgemacht, es gab auch bedächtige Stimmen, doch diese gerieten immer mehr in die Minderheit. Und schließlich gaben auch diese nach, dem Befehl der Propheten wurde gefolgt, und als das letzte Vieh geschlachtet wurde, das letzte Korn vernichtet, erwarteten die Xhosa die Ankunft des Geisterheeres welches sie in den den siegreichen Kampf begleiten sollte.
Der Rest ist schnell erzählt. Das Geisterheer erschien nicht. Auch die versprochenen Felder von Hirse, reif und zum Verzehr bereit, sprangen nicht aus dem Boden. Missionare und Agenten der Regierung hatten vergeblich versucht, die Xhosa von ihrem Tun abzubringen, die Kraft der Visionen war stärker. Nun brach Verzweiflung und Hunger aus. Nichts mehr war zu spüren von der Euphorie der vergangenen Monate, die Vision hatte sich als falsch erwiesen. Canetti fasst das Ende so zusammen:
Während des Jahres 1857 sank die Bevölkerung des britischen Teils des Xosa-Landes von 105.000 auf 37.000. 68.000 Menschen waren hier umgekommen. Dabei war das Leben von Tausenden durch Getreidevorräte gerettet worden, die die Regierung hier angelegt hatt. Im freien Teil, wo es keine solche Vorräte gab, kamen relativ noch mehr Menschen um. Die Macht des Xosa-Stammes war vollkommen gebrochen (Ellias Canetti, Masse und Macht, Die Selbstzerstörung der Xosas)
Am Anfang steht eine Vision. Mehr nicht. Manche mögen sich für diese Vision begeistern, daran glauben, doch bei vielen herrscht auch Zweifel vor. Doch ist die Bewegung erst einmal stark genug, dann reißt sie auch die Zweifler mit. Unverzüglich beginnt man mit der Zerstörung dessen, von dem man glaubt, es steht dem großem Ziel entgegen. Völlig unwichtig dabei ist, welche Auswirkungen dies in der Gegenwart auf die Menschen hat. Hauptsache man hat zerstört, was einen Rückweg möglich machen würde.
Hier kann man nun eine Brücke zu den grünen Zukunftsvisionen schlagen. Von unumkehrbaren Entscheidungen ist die Rede, bestehende Infrastruktur wird zerstört, ohne einen angemessenen Ersatz zu haben. Dieser wird in der Zukunft erwartet, wenn die gegenwärtigen Abhängigkeiten überwunden sind und alles schön dezentral, nachhaltig und ökologisch ist. Nebenbei entsteht auch noch ein größeres Zufriedenheits- und Glücksgefühl.
Das Vieh war der Reichtum der Xhosa. Sie vernichteten ihren Reichtum einer Vision wegen. Was sie damit bezwecken wollten ist erst einmal nebensächlich, der Hauptpunkt ist, sie glaubten den Versprechungen durch diese Handlung würde die Zukunft eine bessere sein. Die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in der frühen Sowjetunion hatte auch eine Vision, alles sollte dem Volk gehören, dann wird alles besser. Das ging ebenfalls schief, unterscheidet sich aber von den Xhosa dahingehend, das die Xhosa alles freiwillig machten, während die Zwangskollektivierung, wie der Name schon sagt, unter Zwang erfolgte. Etwas was gegenwärtig ebenfalls erlebt werden kann.
Unser Wohlstand beruht auf dem Umstand, dass wir fossile Bodenschätze nutzen, zur Energieerzeugung und zur Produktion aller möglicher Güter. Dabei haben wir gelernt, schon aus ökonomischen Gründen, mit diesen Ressourcen immer sparsamer umzugehen, so effektiv wie möglich. Neuere, effektivere, Technologien lösten veraltete ab. Nun sagen uns aber die grünen Visionäre, dass wir diesem Verhalten abschwören sollen, die Welt fliegt uns sonst um die Ohren, oder so ähnlich. Weniger Autos sind besser als mehr, ineffektive Technologien wie die NIE sind besser als effiziente. Mit der Umstellung habe man sofort zu beginnen, auch wenn viele Fragen noch unbeantwortet sind, zum Beispiel Speicher für elektrische Energie. Das dies nicht ohne Wohlstandverlusten zu machen ist, ist den grünen Visionären klar. Sie haben Angst das sich die Bevölkerung eines Besseren besinnt und wollen deshalb vollendete Tatsachen schaffen. Die Forderung nach Stopp der Forschung zur Entwicklung neuer Kernreaktoren gehört dazu, es ließen sich noch beliebig viele Beispiele nennen.
Uns sollte das Schicksal der Xhosa ein warnendes Beispiel sein. Hier können wir sehen was passiert wenn man Visionären und falschen Propheten folgt, die zwar eine bessere Zukunft versprechen, dafür aber Verzicht in der Gegenwart fordern. Wenn wir unseren Wohlstand leichtfertig hergeben, dann ist er weg und kommt auch nicht so schnell wieder. Wie das Vieh der Xhosa.
Leicht veränderte Version eines zuerst im Science-Skeptical-Blog erschienen gleichnamigen Artikels.
Dieser Text ist im Buch Im Spannungsfeld |1 enthalten.
Ein eindringlicher Artikel - übrigens mal ein ganz großes Lob für diesen Blog. Auch wenn es selten Kommentare gibt, ich freue mich immer wieder über einen Artikel hier, die Nachdenkliches und interesannte Hintergründe liefern.
AntwortenLöschen