Gastbeitrag von Stefan Klinkigt
Die Liste der Bestrebungen selbsternannter Moralwächter, hierzulande die Kunstfreiheit auf ein „sittlich korrektes” Maß zurechtzustutzen, ist um einen weiteren Fall länger geworden. Nachdem 2011 die mit einem Kunstpreis prämierten Werke von Annegret Soltau in einer Ausstellung des Hessischen Rundfunks in Frankfurt/Main mit dunklen „Bilderburkas” schamvoll verhüllt worden waren, und 2013 die VHS Berlin Marzahn-Hellersdorf in vorauseilender Unterwürfigkeit die Bilder der Künstlerin Susanne Schüffel aus ihrem Hause hatte entfernen lassen, ist nunmehr der Maler und Zeichner Hilmar Alexander Röner an der Reihe, dessen bereits aufgebaute „anstößige” Ausstellung – man ahnt es schon: Bilder mit nackten Menschen darauf – noch vor der Vernissage wieder abgehängt wurde. Hatte in den o.g. Fällen von Annegret Soltau und Susanne Schüffel die Angst vor der „Beleidigung religiöser Gefühle” im Vordergrund gestanden, so wurde im aktuellen Fall das Maß der Absurdität noch gesteigert. Man fühlt sich in die Zeit des „Zwickelerlasses” zurückversetzt.
Röners Ausstellung sollte am 16. Juni 2014 im Rahmen der „Initiative Kunst“ am Uniklinikum Bonn eröffnet werden und bis zum Herbst dieses Jahres dort hängen bleiben. Seine fotorealistischen, teils quadratmetergroßen Bilder sind von außerordentlicher Ästhetik, sowohl in ihrer Darstellung als auch in der bildnerischen Umsetzung. Filigrane Kugelschreiberzeichnungen und mit Blattgold versehene kolorierte Radierungen sollten die Ausstellung abrunden. Bereits einen Tag nach der Hängung begann jedoch die Frauenbeauftragte des Hauses darüber zu zetern, diese Bilder seien ein Skandal, man müsse diese Ausstellung sofort verbieten, so etwas könne man Mitarbeitern und Besuchern des Hauses nicht zumuten! Auf einem der Bilder („Hannah I”) sei ja sogar – pfui! – ein Geschlechtsteil zu sehen.
Nun könnte man zwar darüber schmunzeln, dass sich in Zeiten von „Femen” und Dildo-Gebrauchsanleitungs-Unterricht an Grundschulen ausgerechnet eine Frauenbeauftragte über „unzüchtige Bilder” beschwert, wäre es bei dieser peinlichen „Qualitätsbewertung” geblieben – schließlich liegt ja Kunst im Auge des Betrachters. Gar nicht mehr zum Lachen ist allerdings, dass die Leitung des Hauses vor dem Gezeter dieser Mitarbeiterin schließlich einknickte, und die komplette Ausstellung noch vor der geplanten Vernissage, und ohne den Künstler darüber zu informieren, wieder abbauen ließ – ein Akt ungeheuerlicher Geringschätzung der Arbeit eines gestandenen Berufskünstlers einerseits, und der dreisten Missachtung der (noch) grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit in unserem Land.
Der Künstler fühlt sich nach diesem kafkaesken Spektakel in das letzte Jahrhundert zurückversetzt, als die Galerie Weill 1917 in Paris Aktbilder des Künstlers Modigliani präsentierte, und die Ausstellung aufgrund ihrer Freizügigkeit behördlich beendet werden musste. Dem Uniklinikum Bonn ist daher zu empfehlen, in Zukunft nur noch Bilder mit Blümchenstilleben auszustellen; aber um Himmels Willen nicht mit Bienchen auf den Blümchen – schließlich könnte das die Frauenbeauftragte des Hauses wieder anstößig finden.
Hilmar Alexander Röner ist Mitglied des Bundesverbandes bildender Künstler (BBK Bonn). Er lebt und arbeitet als Maler und Zeichner in Rheinbreitbach bei Bad Honnef.
Beitrag übernommen von AchGut
Kommentar veröffentlichen