10. März 2015

Kids, Gender, Hass und die Würde des Menschen

Es ist entschieden von Vorteil, wenn man die Regeln kennt die in einer Auseinandersetzung gelten. Ich kannte sie nicht, und hatte dafür dann eine blutige Nase.

Wie das Väter eben gerne tun, so 'bubelte' mein Vater auch mit mir, ich war vielleicht sieben oder acht Jahre alt, ging also schon zur Schule. Manchmal spielte er 'Boxen' mit mir, und ich durfte ihm auf Brustkorb und Oberarme schlagen. Er tat dann so, als ob ihm das weh getan hätte - mein Vater ist Schmied. Für mich war das ein Spiel, einen Boxkampf hatte ich bis dahin noch nicht gesehen. Einen Fernseher hatten wir zu dieser Zeit zwar schon, seit etwa zwei Jahren, schwarz-weiß natürlich, auch im Westen gab es damals noch kein Farbfernsehen. Wir im Osten haben es allerdings Buntfernsehen genannt, nur einen Boxkampf sah ich nie, ich hatte also keine Ahnung vom Boxen.

Die blutige Nase holte ich mir von einem Klassenkameraden, der zwar gleichaltrig, aber einen Kopf größer war als ich. Ich meinte ihn dazu auffordern zu müssen, mit mir boxen zu spielen. Doch der spielte nicht, sondern zentrierte mir sofort einen Schlag auf die Nase. Ich erinnere mich noch, wie ich blutend und vor Wut weinend nach Hause ging. Nach verschiedenen Ausreden, gestand ich schließlich meiner Mutter wie es zu der Blessur gekommen ist. Eigentlich machte mir die blutige Nase nicht viel aus, Verwundungen hatte ich ständig. Sei es wegen Stürze vom Fahrrad, oder wegen meiner Kletterei in den Bäumen, irgendwie verletzte man sich immer. Wahrscheinlich gab es in dieser Zeit mehr Tage an denen ich mit Pflaster rum lief, als ohne.

Was wirklich weh tat, war die Erkenntnis, dass man mir einen Scheiß erzählt hatte, und das ausgerechnet vom Vater, der mir aber ganz sicher nicht die Regeln des Boxkampfes zeigen wollte, sondern nur bubeln, diesem Spiel allerdings einen Namen gab der zu Missverständnissen führte. Mein Klassenkamerad hatte lediglich einen Informationsvorteil. Im Nachhinein kein Wunder, er hatte noch drei ältere Brüder.

Das war, bei Lichte betrachtet, generell der Fall bei den Kumpels die ältere Geschwister hatten. Wissen wurde weitergereicht zwischen den Jahrgängen. Letztlich lief auf diesem Wege auch die sexuelle Aufklärung. Hier hatte ich dann später einen Informationsvorsprung, den ich einigen älteren Cousinen zu verdanken hatte, und mit dem ich dann auch kräftig bei den Kumpels angegeben habe. Diskussionen entstanden, beispielsweise eine über die Frage, ob es denn einen klitoralen oder einen vaginalen Orgasmus beim Sex gibt. Mit einem Mädchen geschlafen hatte damals noch keiner von uns. Trotzdem redeten wir darüber. Aber nur miteinander, keinesfalls jemals mit irgendwelchen Erwachsenen, schon gar nicht mit solchen aus dem täglichen Umfeld, Eltern oder Lehrer beispielsweise.

Freilich ist heute die Gesellschaft eine andere, kinderreiche Familien sind die Ausnahme, weshalb Themen und Wissen auch nicht mehr ausschließlich auf diese oben beschriebene Weise zwischen den Jahrgängen ungehindert diffundieren. Jugendzeitschriften, von vielen als wichtiges Instrument für die sexuelle Aufklärung gesehen, Stichwort Bravo, konnten diese Funktion allerdings nie ganz übernehmen, immer war ein Filter vorhanden der den Informationsfluss selektierte und steuerte. Ein Teil dieses Informationsflusses hat sich ins Internet verlagert, doch nur wenig, weil diese Infos oft nur der Selbstdarstellung dienen, und die Kids auch sehr schnell mitbekommen, dass dies so ist. Wichtig bleibt nach wie vor der Faktor Vertrauen und wie authentisch die Info ist.

So wie früher die Eltern Angst hatten, die Bravo würde dem Nachwuchs Flöhe ins Ohr setzen, so ist es heute das Internet welches als Bedrohung gesehen wird. Pornos würden den Jugendlichen suggerieren, dass der dort dargestellte Sex verbreitete Realität ist. Immer und überall wird von den Erwachsen gemeint, die Kinder und Jugendlichen bräuchten für eine optimale Entwicklung eine Zensur der Dinge die die Jungs und Mädels interessieren. Altersfreigabe bei Spielen oder Filmen mögen einen guten Vorsatz haben, dass die zensierten Dinge dadurch die Kids nicht erreichen, ist eine Illusion und macht es eigentlich nur interessanter. Allerdings nur für diejenigen die ohnehin schon nahe an der Schwelle sind, wo ein derartiges Thema interessant wird. Prinzipiell ist gegen eine Altersfreigabe nichts einzuwenden, nur sollte man nicht der Vorstellung anhängen, dass dadurch dann wenn das Interesse an Infos vorhanden ist, man diese damit vorenthalten könne. Die Informationsströme suchen sich ihre Wege und werden zwischen den Jahrgängen, nicht Generationen, durch gereicht.

Dieser Informationsfluss ist Eltern und Lehrern oft suspekt, weil sie darüber keine Kontrolle haben und sich Bilder und Erklärungen fest setzen können die entweder nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen oder gar gefährlich für die Kinder und ihre Entwicklung sein könnten. Abwegig sind diese Befürchtungen nicht, wie die neuerlichen Meldungen aus einer süddeutschen Schule zeigen, in der muslimische Kinder offen ihre Verachtung von Andersgläubigen ausdrückten, Juden als auf der Stufe von Schweinen betrachteten. Mag sein, dass in diesem speziellen Fall, der aber sicher kein Einzelfall ist, die Eltern ein gerütteltes Maß an Schuld tragen, weil, so muss vermutet werden, sie diese Vorstellungen der Kids teilen oder gar von ihnen vermittelt wurden. Dennoch ist ein Fakt, dass die Schule trotz der Fächer »Islamische Unterweisung« oder Ethik-Unterricht, es nicht geschafft hat, diese menschenverachtenden Ideologien oder Vorstellungen von den Köpfen der Kids fern zu halten.

Schule und Pädagogen wurden nicht als authentisch wahr genommen, das war und ist die Moschee, weshalb diese auch die Informationsströme in Gang setzen konnte, die dann zwischen den Kindern weiter gegeben wurden und auch diejenigen erreichte die nicht in die Hetzmoscheen gingen. Eine Subkultur entsteht, die sich im Verborgenen ausbreitet und erst dann offensichtlich wird, wenn es eigentlich schon zu spät ist mittels Aufklärung und Gegendarstellung wirksam dagegen vorgehen zu können. Es steht dann Information gegen Information und das was authentischer wirkt, das wird geglaubt.

Kommen wir noch mal zum Thema Sex zurück. Momentan sind Vorhaben in der Diskussion, dass in Schulen den Kindern die vielfältigsten sexuellen Orientierungen erklärt werden sollen, um es mal vorsichtig auszudrücken. Kritiker nennen es nicht kindgerechte Frühsexualisierung. Auch hier meinen die staatlichen Pädagogen mit einer Flut von Informationen, auf das Verhalten, die Gefühle und Gedanken der Kinder, Einfluss nehmen zu können um sie von Gleichwertigkeit von der klassischen Familie unterschiedlichen Zusammenlebensformen zu überzeugen. Solange es nur um Schwule und Lesben geht, ist auch hier nicht mal groß was einzuwenden. Wer wo mit wem zusammenlebt, oder sich hingezogen fühlt, ist Privatsache und sollte nicht Gegenstand von Diffamierungen sein. Der Rest ist Politik, vor allem wenn der Wert der Familie fürs Individuum, als auch für die Gesellschaft, relativiert wird. Will man diese, die Gesellschaft, verändern, muss man an die Familien ran. Nicht wenige glauben, dass dies der eigentliche Grund der derzeitigen Genderdebatte ist. Doch auch das wird kaum Wirkung zeigen, weil hier die gleichen Mechanismen ablaufen. Verhaltensweisen, Erklärungen, wer ich in der Welt bin, letztlich Selbstidentifizierungen, werden in allererste Linie durch die Familie vermittelt und bereits mit der Muttermilch aufgesogen.

Also wird auch die Pädagogisierung des Sex genauso wenig bei den Kindern bewirkten, wie der Versuch mit alternativen Deutungen der Religion einen Gesinnungswandel herbeizuführen. Die Stabilität einer Gesellschaft, oder Gemeinschaft, liegt in den Familien begründet. Im positiven, wie im negativen Sinne. Sind rassistische Vorstellungen vorhanden, wie in muslimischen Familien die ihre Kinder in Hetzmoscheen schicken, so werden diese auch aufgenommen und weiter gegeben. Informationen aus diesem Umkreis sind wahr, weil sie in ein bereits bestehendes Weltbild passen. Zweifel an diesen durch die Familien vermittelten Weltbilder werden zwar spätestens mit Beginn der Pubertät zunehmen, doch auch dann ist es für Schule und Pädagogen schwierig bis unmöglich die Jugendlichen in die gewünschte Richtung zu lenken, jetzt wirken die Informationsströme die zwischen den Jahrgängen durch gereicht werden viel stärker. »Sag mir wer deine Freunde sind, und ich sage dir wer du bist«, dieser Spruch bringt es auf den Punkt.

Wie kommen wir nun raus aus dem dreispältigen Dilemma? Einerseits werden Familien als kleinstes und widerstandsfähigstes Bauteil einer Gesellschaft gebraucht, anderseits werden dort mitunter Vorstellungen tradiert, die den Werten unserer Gesellschaft widersprechen, und als drittes sich einzugestehen, dass mit pädagogischen Maßnahmen nur minimale Veränderungen herbeigeführt werden können. Die klassischen Familie hat sich nämlich als extrem belastbar erwiesen, der Philosoph Boris Groys meint gar, ein Grund fürs Scheitern des Kommunismus wäre, dass es nicht gelungen ist, die Institution Familie zu zerstören.

Ich hatte mir eine blutige Nase geholt, weil ich die Regeln des Boxkampfes nicht kannte, damit hatte aber, und das ist das Entscheidende, mein Vater die Deutungshoheit über meine Welt verloren. Von nun an prüfte ich kritisch was er mir erklärte, wollte wissen, welche Regeln nun wirklich für mich gelten und welchen Sinn diese haben, welche Werte damit verbunden sind. Von nun an glaubte ich Gleichaltrigen mehr als Erwachsenen, denn nicht nur mein Vater hatte einen Vertauensverlust erleiden müssen, sondern gleich die gesamte Erwachsenenwelt.

Unsere Grundregel, die nach der sich alles Miteinander in der Gesellschaft auszurichten hat, findet sich im Grundgesetz: »Die Würde des Menschen ist unantstbar«. Sie steht ganz am Anfang und alles weitere ist Ausschmückung oder Erklärung. Wer dagegen verstößt oder meint sich daran nicht halten zu müssen, soll sich eine blutige Nase holen, oder anders ausgedrückt, diese Regel muss wehrhaft durchgesetzt werden.

Es ist ein Illusion zu glauben, alle Menschen würden sich diese Regel zu eigen machen. Wir erkennen ihre Sinnhaftigkeit nicht automatisch, sie muss erlernt werden und manche werden sie ablehnen. Muslimische Rassisten, wie andere. Schwulenhasser oder Extremisten jeglicher Couleur. Wir können nur sehr bedingt Einfluss auf Ihr Denken und ihre Überzeugungen haben. Dort wo pädagogische Maßnahmen helfen, können sie begleitend wirken, niemals aber dürfen diese die Strafen ersetzen, ohne deren Vorhandensein keine Regel durchsetzbar ist.

Kommen wir zurück zur Schule, ich kenne einige, allein meine Kinder besuchen drei verschiedene. Nirgendwo sah ich den Spruch aus unserem Grundgesetz: »Die Würde des Menschen ist unantastbar«. Nur in einer war früher ein Plakat ausgehängt, auf dem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zu lesen war. Mittlerweile ist es verschwunden. Genau das aber sollten die Kinder lernen, am besten auswendig. Nicht dass ich meine, die Kids würden es sich durchs Auswendiglernen verinnerlichen, jedenfalls nicht alle, die Weltbilder die zuerst aus dem Elternhaus, später von Kumpels oder den Freundinnen vermittelt werden, und die wiederum aus den Durchreichungen zwischen den Jahrgängen gebildet werden, sind stärker. Aber sie müssen sie, die Regeln, kennen und wissen, und dass sie sich, sinnbildlich, blutige Nasen holen wenn sie sich nicht daran halten. Vielleicht führt dies bei dem einen oder anderen dazu, wie bei mir, jenes zu hinterfragen was als Weltbildern von den Eltern oder anderen Erwachsenen vermittelt wurde.

Die die auf Pädagogisierung setzen, und meinen, nun Imame in die Schulen einzuladen, die eine andere, eine menschenwürdige, Interpretation des Korans erzählen, können dies ja weiter tun. Schaden kanns nicht viel, aber nützen auch nicht. Oder auch diejenigen die nun Transvestiten in Kindergärten einladen, wie kürzlich die Drag Queen Olivia Jones, die in einem Kindergarten aus ihrem Kinderbuch vorlas, um gegen Intoleranz zu pädagogisieren, werden weder schaden noch nützen. In dem Alter sehen das Kinder sowieso eher als lustiges Kasperletheater an. Allerdings ist ein weiteres nicht zu unterschätzendes Problem, was mit der Pädagogisierung des Sex zu tun hat, dieses, dass damit ein Einfallstor für politische und weltanschauliche Ideologien geöffnet wird, weil es hier offensichtlich nicht nur um Zwischenmenschliches geht, sondern um die Umgestaltung einer ganzen Gesellschaft.

Respekt steht am Anfang, Respekt vor der Würde des Menschen, egal wie der gepolt ist, egal welche Hautfarbe oder welche Religion er hat. Wir haben in Form des Grundgesetzes die Regeln geschaffen nach denen wir uns in unserer Gesellschaft zu benehmen haben. Alles weitere lässt sich aus diesem Respektgebot ableiten, wie wir mit Andersdenkenden oder Andergläubigen oder Andersfühlenden umgehen. Wer sich nicht daran hält, muss es zu fühlen bekommen. Egal ob Kind oder Erwachsener.

1 Kommentar :

  1. Wir werden es zu fühlen bekommen. Das Respektgebot erhält mit dem heutigen Urteil des BVerfG eine gesteigerte Bedeutung. So oder so.

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