31. Dezember 2021

Notizen im Dezember 2021

 

Kann ich mir mein Land, meine Heimat (wenn ich eine hätte), über Ideologie oder über (Grund)Gesetze erklären? Nein, das geht nicht, da kommen nur wackelige Gedankenkonstruktionen heraus.   

 

 

Als Kind oder Jugendlicher konnte ich es mir meist nicht verkneifen, als Erstes die letzten Seiten eines Buches zu lesen. Erst als Erwachsener verlor sich dieser Drang, weil ich erkannte, dass die letzten Seiten bedeutungslos sind, wenn man den Weg dahin nicht kennt.   

 

 

Wir sollten die anregende Wirkung von Spaziergängen auf das Denken niemals unterschätzen. Nietzsche wusste das, Heidegger sowieso, Rousseau auch, Montaignes wanderte.   

 

22. November 2021

Notizen im November 2021


Der Freund war auf einen Kurzbesuch bei mir. Als er das Haus verließ, schaute ich aus dem Fenster und beobachtete, wie er zu seinem geparkten Auto ging: ganz brav auf dem Gehweg gehend und nicht die Abkürzung über die Wiese benutzend, wie er es früher immer getan hatte.
 
Etwas war geschehen mit ihm, in den anderthalb Jahren, die er im DDR-Knast wegen versuchter Republikflucht saß. Das war ca. 1982. Wie werden wir uns alle 2022 verändern? Wird es noch Menschen geben, die nicht die vorgeschriebenen Wege gehen?



Würde ich an mir feststellen, dass ich wie die Mehrheit denke und fühle, müsste ich in mich gehen und nachfragen, wie denn dieser schlimme Zustand eintreten konnte.



Dass Regierung und Verwaltung oft in ihrer eigenen Welt leben, in der dann völlig irre Entscheidungen getroffen werden, ist nicht neu für mich. Das ist immer und überall so. Dass aber die Bevölkerung schreit: „Nehmt mir meine Freiheit weg!“, das schockiert mich schon.

31. Oktober 2021

Notizen im Oktober 2021


Moderne aufgeklärte Gesellschaften glauben, den Tod – diese Demütigung, die dem Leben innewohnt – negieren zu können. Er wird ins Medizinische oder in die Naturwissenschaften ausgelagert. Von denen wird dann erhofft, dass sie den Tod besiegen oder wenigstens erklären, damit er akzeptiert werden kann. Doch Demütigungen sind nie akzeptabel, immer muss ein Schuldiger gefunden werden, der dafür verantwortlich ist.
 
Jede Todesdrohung, sei es durch das Gerede von einer Pandemie oder von der Klimakatastrophe, spielt mit dieser Demütigung, die nicht ohne die Benennung von Schuldigen sein kann.

17. Oktober 2021

Warum ich kein Grüner wurde

Da einige meiner Freunde, Ende der Siebziger, so begeistert Hesse lasen, ich manchmal den Eindruck hatte, die schlafen mit dem ″Siddhartha″ unterm Kopfkissen, nahm ich mir ″Kinderseele″ sowie ″Klein und Wagner″ von ihm vor, um selbst einen Eindruck davon zu bekommen, was an dem Schriftsteller so faszinierend sein soll und warum meine Freunde so begeistert von ihm sind, und merkte doch schnell, mit diesem Autor kann ich nichts anfangen. Jahre später, nun in Westdeutschland, lasen sie dann so Dinge wie den ″Papalagi″, waren Fans von Habermas und Adorno und gehörten zu den Anhängern der Grünen.


26. September 2021

Notizen im September 2021


Zwei Getränke wurden mir serviert, das eine hieß Freiheit, das andere Sicherheit. Pur ist keines von beiden genießbar, aber als Cocktail lecker. Die Kunst ist, das richtige Mischungsverhältnis zu finden. Mir ist die Freiheit mit einem Spritzer Sicherheit am liebsten.



Freedom Day! Welch süßen Klang dieses Wort hat.



„Wir müssen eine Brandmauer gegen Hass und Hetze errichten“, so ähnlich jedenfalls propagierten sie es. Nun aber wird klar, es handelt sich bei diesen errichteten Mauern nicht um Brandmauern, sondern um Gefängnismauern, Gedankengefängnismauern.



Immer war es die Hoffnung der Eltern, dass es ihren Kindern mal besser gehen würde als ihnen selbst. Wohin ist er verschwunden, dieser Zukunftsoptimismus? Die allgegenwärtigen Dystopien haben ihn zerstört.