25. November 2019

Aus dem Archiv: Kretschmanns Gründerzeit

Dieser Artikel ist im Mai 2011 im Science-Skeptical-Blog erschienen, doch dieser Blog ist schon seit Wochen, vielleicht Monaten, im Wartungsmodus und mir ist nicht bekannt, ob er nochmals online geht. Eine Nachfrage an den Administrator ist bis jetzt unbeantwortet geblieben. Da aber viele meiner Texte dort, über den Tag hinaus aktuell sind, werde ich nun in loser Folge die mir wichtigen hier auf Glitzerwasser veröffentlichen.

Ein guter Slogan ist Gold wert. Werbestrategen ersinnen eingängige Formulierungen, die dann sofort mit einem Produkt in Verbindung gebracht werden und gewünschte Assoziationen hervorrufen (have a break, ich bin doch nicht blöd, usw). Oft werden auch Produktnamen erfunden die bereits eine Eigenschaftsbeschreibung beinhalten oder auf eine Zielgruppe hinweisen (Kinderschokolade, Softis, Tipp-Ex). Manchmal geht so eine Namensgebung auch daneben, Mitsubishi musste das mit seinem Pajero erleben, was in der spanischen Vulgärsprache "Wichser" bedeutet. Doch solche Pannen sind eher selten.

Politik will natürlich auch verkauft werden, hier ist es ebenso wichtig eingängige Formulierungen zu finden (Freiheit statt Sozialismus, Mehr Demokratie wagen). Wohlwollend betrachtet sind diese Slogans die Verpackung eines entsprechenden Programms, weniger wohlwollend sind es Sprüche die vom Inhalt ablenken oder einen Inhalt suggerieren, der so nicht vorhanden ist. Ganz selten wird man später noch die Wahlkampfslogans mit der Politik verbinden, die dann Wirklichkeit wurde. Wenn wirklich eine wegweisende Epoche geschah, wurde dieser ein ganz anderer Name gegeben. Oftmals nach Politikern benannt (Wilhelm, Adenauer, Brandt, Kohl), oder nach besonderen wirtschaftlichen Besonderheiten (Inflationszeit, Wiederaufbau, Gründerzeit, Wirtschaftswunderzeit).

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Da Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg, in seiner Regierungserklärung eine neue Gründerzeit ausgerufen hat, sollte man sich erst einmal deutlich machen, zu welcher Kategorie dieser Begriff zählt. Dies ist recht einfach, momentan ist dies ein Slogan, keinesfalls bereits eine Epoche. Kretschmann und den Grünen schwebt vor, dass dieser Begriff eine neue Epoche einleitet, die später einmal Neue (grüne) Gründerzeit genannt wird. Das dies so geschehen wird, darf ernsthaft angezweifelt werden und wir müssen nun zwei Aspekte dieser Namensgebung betrachten. Erstens, was war die Gründerzeit überhaupt, zweitens, warum hat Kretschmann diese Formulierung gewählt.

Unter der Gründerzeit versteht man in Deutschland zum einen die Zeit nach der deutschen Reichsgründung 1871 und zum anderen die Zeit der industriellen Revolution in Deutschland.
Wir wollen uns auf die Industrielle Revolution beschränken, die bereits früher begann, etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die spätere Phase, ab der Reichsgründung wird auch Hochindustrialisierung genannt. Wirtschaftlicher Motor dieser Entwicklung war, um den ausgezeichneten Wikipedia-Artikel zu zitieren, der Eisenbahnbau. Die von diesem ausgehende Nachfrage förderte die Entwicklungen in den drei aufs engste miteinander verbundenen Leitbranchen: dem Bergbau, der Metallerzeugung und dem Maschinenbau. Gleichzeitig war es eine Epoche, in der das Bürgertum eine führende Rolle einnahm, Handels- und Zollbarrieren abgebaut worden. Zusammengefasst kann man also sagen, Freihandel und liberale Veränderungen in der Gesellschaft ermöglichten, dass sich neue wirtschaftliche Perspektiven für das aufstrebende Bürgertum ergaben. Steinkohle und die Eisenbahn waren das Blut für den wirtschaftlichen Aufschwung, der sich auch in vielen Neugründungen von Unternehmen ausdrückte. Karl Polanyi bezeichnete diesen Prozess auch als Great Transformation.

Gründerzeit, Industrielle Revolution, Große Transformation, alles Begriffe die im Wesentlichen das Gleiche beschreiben. Jedenfalls in Bezug auf die Veränderungen im 19. Jahrhundert. Den Ausdruck Große Transformation kennen wir heute auch aus einem anderen Zusammenhang, vor allem ist er durch die Äußerungen Schellnhubers einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Und ganz aktuell, der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen hat einen Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation vorgestellt, in der die Decarbonisierung der Wirtschaft gefordert wird. Es lohnt sich, noch einen Moment bei diesem Bericht zu verweilen, gehen die Macher, Schellnhuber gehört natürlich dazu, doch auch auf die vergangenen Transformationen ein:
Die bisherigen großen Transformationen der Menschheit waren weitgehend ungesteuerte Ergebnisse evolutionären Wandels. Die historisch einmalige Herausforderung bei der nun anstehenden Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft besteht darin, einen umfassenden Umbau aus Einsicht, Umsicht und Voraussicht voranzutreiben.
Das ist einfach Quatsch. Die industrielle Revolution war kein ungesteuertes Ergebnis evolutionären Wandels, sondern wurde durch politische Vorgaben ermöglicht. Dies vor allem dadurch, indem Hemmnisse beseitigt wurden. Erst danach wurde es evolutionärer Wandel, dem aber vonseiten der Politik keine Richtung vorgegeben wurde. Ganz anders heute, jetzt soll der Wirtschaft die Richtung vorgegeben werden, Stichwort Decarbonisierung, und es werden Hemmnisse in der Form aufgebaut, als daß das was dem entgegen steht mit zusätzlichen Abgaben und Verboten belastet wird. Nehmen wir einfach einmal das Glühlampenverbot als Beispiel. Wir können also feststellen, die Große Transformation des 19. Jahrhunderts ist so ziemlich das Gegenteil dessen, als das was heute unter gleichem Namen angestrebt wird. Liberalisierung contra Regulierung.

Winfried Kretschmann hat den Begriff Gründerzeit gewählt, weil dieser positiv besetzt ist. Nachdem er sich mit seinem verbalen Frontalangriff auf die Automobilindustrie gewaltig vergaloppiert hat, sollten nun die Wogen geglättet werden. Die Unternehmensneugründungen die es durch die Transformation nach Schellnhuber und Co. geben wird, und das sind auch die Ziele des Herrn Kretschmann, sind auf staatliche Alimentierung angewiesen, oder auf Zwangsabgaben der Bürger. Was dabei herauskommt, ist eine grüne Planwirtschaft, niemals eine neue Gründerzeit. Manchmal bekommt ein Produkt einen Namen, das den wirklichen Charakter verschleiern soll. Kretschmanns Gründerzeit gehört dazu.

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